In "Die Anomalie" von Hervé Le Tellier gerät ein Flugzeug in schwerste Turbulenzen und zerbricht beinahe. Danach ist alles anders: Das Flugzeug sollte gar nicht existieren, es ist bereits vor drei Monaten gelandet. Plötzlich existiert es zweimal – und so auch die Passagiere an Bord.
Am 10. März 2021 fliegt eine Boeing von Paris in Richtung New York mit 300 Passagieren an Bord. Plötzlich baut sich vor der Maschine eine Wolkenwand auf, die den erfahrenen Flugkapitän Markle und seinen Co-Piloten in helle Aufregung versetzt. Die Wolke wächst sehr schnell und breitet sich rasant wie eine Sichel von Norden nach Süden aus. Die Maschine wird dem Ungetüm aus Eis und Wasser nicht ausweichen können.
Von einem Moment auf den nächsten: Stille
Markle hält die Passagiere an, sich anzuschnallen, die Getränke zu verschließen und alle technischen Geräte auszuschalten, es sei mit schweren Turbulenzen zu rechnen. Und turbulent wird es - sehr sogar. In den kommenden Minuten gleicht der Flug einer Achterbahnfahrt. Die Kontrollleuchten schlagen Alarm, fast droht das Flugzeug zu zerbrechen. Markle setzt einen Notruf ab.
Plötzlich ist alles wieder vorbei: das Getöse, der Hagel, die Dunkelheit, der freie Fall. Auch die Sonne scheint dem Piloten durch das schwer beschäftigte Cockpitfenster ins Gesicht.
Das Flugzeug sollte gar nicht existieren, es existiert bereits
Der Tower meldet sich per Funk und klingt erstaunt und verlangt um die Wiederholung des Notfallcodes, um die vollen Namen der gesamten Besatzung. Alle technischen Geräte an Bord sollen eingesammelt werden. Ein schlechter Scherz des Bodenpersonals, denkt Markle, da er bald seinen letzten Flug haben wird.
Doch es ist kein Scherz. Es ist auch nicht der 10. März, sondern der 24. Juni. Das Flugzeug sollte gar nicht existieren, es ist bereits vor drei Monaten gelandet. Kampfjets tauchen neben der Boeing auf. "Befolgen sie nun unsere Anweisungen", heißt es über Funk.
"Der Roman wirft eine Menge Fragen auf. Alles in diesem Flugzeug existiert nun zweimal. Nicht etwa geklont oder supergut nachgebaut, sondern wirklich zweimal."
Der Roman "Die Anomalie" von Hervé Le Tellier wirft viele Fragen auf. Ein Flugzeug durchfliegt ein Unwetter und plötzlich existiert alles zweimal – und damit auch alle Menschen an Bord:
Der nigerianische Musiker Slimboy zum Beispiel, der verheimlichen muss, dass er schwul ist. Der Architekt André, der sich für sein Alter schämt. Der Auftragsmörder Blake, der mehrere Identitäten pflegt, oder das Mädchen Sophia und ihr Vater Clark, die gemeinsam ein Geheimnis haben. Sie alle gibt es nun doppelt. Exakte Kopien, denen drei Monate fehlen. Wo kommen sie her? Ist das eine Chance für die Betroffenen und wenn ja, auf was? Und ist die Menschheit bereit für so was?
Das Buch:
"Die Anomalie" von Hervé Le Tellier, Rowohlt, 345 Seiten, Hardcover: 22 €, Taschenbuch: 13 €, E-Book: 9,99 €. Ein Hörbuch gibt es auch.