Was der Holocaust war, was in der NS-Zeit passiert ist, das wissen die meisten. Aber wenn es um die Details geht, dann hört das Wissen inzwischen ziemlich schnell auf. Computerspiele könnten das Wissen auffrischen und das durchaus packend.

Das Jahr 1945: Die letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs. Männer in NSDAP-Uniformen halten Hans Naumann, einen alten Mann, in einem Keller in München gefangen – und erschießen ihn. Eine Szene aus The Darkest Files.

Im Spiel übernehmen wir die Rolle der Staatsanwältin Esther Katz. Sie läuft durch die Erinnerungen der Zeugen, rekonstruiert die Taten und versucht, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Esther Katz ist erfunden, aber ihr Vorgesetzter, Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, hat wirklich existiert.

"Die Fälle im Spiel basieren alle auf echten Verbrechen und auch zum Teil auf den echten Gerichtsverfahren. Wir haben es dann wieder stark verfremdet zum Beispiel Namen geändert."
Spieleentwickler Jörg Friedrich vom Berliner Studio Paintbucket

Spieleentwickler Jörg Friedrich vom Berliner Studio Paintbucket Games erklärt, dass The Darkest Files ein True-Crime-Spiel sei. Die Fälle basieren auf echten Verbrechen und teilweise auf realen Gerichtsverfahren, seien aber stark verfremdet und die Namen geändert worden.

Packend statt pädagogisch: Wie das Spiel Wissen vermittelt

Im Spiel liegen die Nazi-Verbrechen rund zehn Jahre zurück. Die Zeugen erinnern sich oft nicht richtig oder lügen. Also machen wir genau das, was echte Staatsanwälte damals tun mussten: alte Akten wälzen, Aussagen vergleichen, Zusammenhänge finden.

Jörg Friedrich betont, dass alles, was die Ermittler im Spiel erhalten – sei es von Zeuginnen, Zeugen, Tätern oder aus den Akten – eine Form von Erinnerung darstelle. Diese Puzzleteile müssten sich zu einem möglichst wahren Bild zusammensetzen.

"Alles, was ich bekomme, sind Erinnerung der Zeuginnen und Zeugen, Erinnerungen der Täter, Erinnerungen aus den Akten, was dokumentiert wurde. Und das alles muss sich zusammenfügen."
Spieleentwickler Jörg Friedrich vom Berliner Studio Paintbucket

Am Ende bringt unsere Staatsanwältin die mutmaßlichen Täter vor Gericht. Wer geschickt ermittelt, erreicht eine Verurteilung. Wer Fehler macht, lässt sie davonkommen. The Darkest Files zeigt dann, wie die echten Gerichtsurteile vor rund 70 Jahren lauteten.

"Man sitzt ja auch nicht unbedingt vor einem Horrorfilm, weil es einem Spaß macht, sondern weil man reingesogen wird in diese Fälle, dass man versucht, die Schicksale zu verstehen."
Historiker Nico Nolden

Historiker Nico Nolden meint, dass "Spaß" nicht das richtige Wort sei, wenn es um die Aufarbeitung von NS-Verbrechen im Spiel gehe. Vielmehr packe das Spiel die Spielenden ähnlich wie ein Horrorfilm, weil es sie emotional hineinziehe und sie versuchten, die Schicksale zu verstehen.

Spiele als Experimentierraum für Geschichte

Nolden beschäftigt sich intensiv mit der Vermittlung von Geschichte und Erinnerungskultur über Videospiele. Er betont, dass der Wissensstand über den Holocaust selbst in Deutschland erschreckend gering sei. Digitale Spiele könnten helfen, historische Themen einem breiten Publikum zugänglich zu machen – weit über den Schulunterricht hinaus.

"So ein Spiel eröffnet auch die Möglichkeit, an einem breiten Markt für Erwachsene ein Thema zu transportieren, das sonst nur in den Schulen stattfindet. Wir haben einen großen Bedarf."
Historiker Nico Nolden

Besonders überzeugt Nolden daran, dass The Darkest Files Wissen nicht aufzwingt. Stattdessen seien die Spieler*innen durch eigene Entscheidungen Teil des Geschehens, lernten Täter, Opfer und Angehörige kennen und könnten so die Auswirkungen ihrer Handlungen direkt erfahren.

"Entscheidungen zu treffen und danach zu beobachten, welche Wirkung habe ich – so eine Art Experimentierraum für Geschichte, das ist, glaube ich, der Kern, was digitale Spiele für die Erinnerungskultur leisten können."
Historiker Nico Nolden

The Darkest Files zeigt: Erinnerungskultur kann fesselnd sein – und Games können helfen, Geschichte lebendig und relevant zu halten.

Shownotes
Erinnerungskultur
Mit Spielen gegen das Vergessen
vom 28. April 2025
Moderator: 
Christoph Sterz
Gesprächspartner: 
Thomas Ruscher, Deutschlandfunknova-Reporter