Ein Mann filmt Yanni Gentsch beim Joggen von hinten. Sie lässt sich das nicht gefallen und filmt die Konfrontation. Das Video kriegt auf Insta 16 Millionen Views. Inzwischen kämpft die 30-Jährige für ein Gesetz gegen Voyeur-Aufnahmen.
Es ist ein Tag im Februar 2025. Yanni Gentsch joggt durch einen Park in Köln und merkt plötzlich, dass ihr ein Mann auf einem E-Bike folgt und sie filmt, genauer gesagt ihren Hintern. Die 30-Jährige bleibt stehen, zückt ihrerseits das Handy und konfrontiert den Mann. Sie bringt ihn zwar dazu, das Video zu löschen, muss sich aber anhören, dass sie sich nicht wundern solle, schließlich trage sie ja "so eine Hose".
Voyeuristische Aufnahmen bislang nicht ohne Weiteres strafbar
Yanni Gentsch geht daraufhin zur Polizei, um Anzeige zu erstatten. Dort stellt sie ernüchtert fest, dass das in diesem Fall gar nicht möglich ist. "Der Polizist sagte mir: Was passiert ist, ist nicht schlimm genug."
"Ich war total schockiert, dass eine solch unglaubliche Grenzüberschreitung nicht strafbar ist."
Yanni Gentsch gibt nicht auf. Sie stellt das Video auf Instagram. Da geht es viral. Inzwischen hat es 16 Millionen Views. Außerdem startet Yanni Gentsch eine Petition, die über 100.000 Menschen unterzeichnen. Sie fordert, dass heimliche Aufnahmen mit sexueller Intention strafbar werden.
Fall von Yanni Gentsch: (bisher) kein strafrechtlich relevantes Verhalten
Tatsächlich sind voyeuristische Aufnahmen und Bilder nicht immer strafbar – beispielsweise wenn sie unter Umständen stattfinden, wie Yanni Gentsch sie erlebt hat, erläutert Anthea Pitschel. Sie ist Fachanwältin für Strafrecht mit einer Kanzlei in Göttingen. Bislang gibt es zwei Paragrafen, laut denen das unbefugte Filmen strafbar ist:
- Wenn unbedeckte oder durch Unterwäsche verhüllte Genitalien, das Gesäß oder die weibliche Brust absichtlich oder wissentlich und ohne Zustimmung fotografiert oder gefilmt werden (Strafgesetzbuch §184k).
- Wenn Aufnahmen in einem besonders geschützten Raum gemacht werden, zum Beispiel Umkleide, Behandlungszimmer, Toilette, eigene Wohnung oder ein ähnlicher Ort (Strafgesetzbuch §201a)
Mit anderen Worten: Wenn, wie in dem Fall von Yanni Gentsch, Aufnahmen in einem öffentlichen Park gemacht werden und die Betroffene mehr anhat als Unterwäsche, stellt das Filmen oder Fotografieren kein strafrechtlich relevantes Verhalten dar.
Die Strafrechtlerin sieht hier eine Gesetzeslücke. Außerdem beobachtet sie eine gesellschaftliche Entwicklung. "Noch vor zehn Jahren haben viele Frauen grenzüberschreitende Verhaltensweisen hingenommen oder als nicht so gravierend wahrgenommen. Inzwischen haben viel mehr Frauen den Mut, zur Polizei zu gehen und Strafanzeige zu erstatten."
Der lange Weg zur Gesetzesänderung
Allerdings dürfte es Anthea Pitschels Einschätzung nach nicht so einfach sein, ein entsprechendes Gesetz oder eine Gesetzesänderung auf den Weg zu bringen. Sie erklärt: "Ein Gesetz ist immer abstrakt und generell formuliert, das heißt, es soll für viele Fälle gelten." Außerdem müsse klar vermittelt werden, dass die Strafbarkeit gegeben ist.
Im Fall der Filmaufnahmen im öffentlichen Raum könnte das heißen: Wie kann die sexuelle Intention nachgewiesen werden? Was, wenn Aussage gegen Aussage steht? Und: Was, wenn jemand tatsächlich aus Versehen im Park oder auf einem Konzert unabsichtlich den Hintern einer Person filmt? "Im Zweifel könnte jeder gefilmte Hintern eine Straftat darstellen", so die Anwältin.
Kampf um gesellschaftliche und rechtliche Veränderung
Yanni Gentsch hingegen ist optimistisch, dass die Gesetzgebung einen Weg finden wird. Vorher, sagt sie, wird sie nicht aufgeben. Immerhin hat sie die Petition dem nordrhein-westfälischen Justizminister Benjamin Limbach (Bündnis 90/Die Grünen) übergeben. Dieser habe das Anliegen als Tagesordnungspunkt auf die Justizministerkonferenz im November 2025 gesetzt.
Yanni Gentsch betont: "Alle großen Parteien stehen dem Thema positiv gegenüber und haben das auf dem Schirm." Und auch auf gesellschaftlicher und zwischenmenschlicher Ebene habe sich viel bewegt: "Ich bekomme auf Insta immer noch Nachrichten, in denen sich Menschen mit mir solidarisieren. Es schreiben mir aber auch viele Frauen, die Ähnliches erlebt haben wie ich."
"Ich rate anderen Betroffenen, auf jeden Fall in den Austausch zu gehen, sich zu verbünden, mit anderen Frauen darüber zu sprechen – und natürlich auf gar keinen Fall die Schuld bei sich zu suchen."
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