In der Steppe von Kasachstan wildert ein internationales Forschungsteam Kulane aus. Diese asiatische Wildesel-Art ist stark gefährdet. Zurück in ihrer ursprünglichen Heimat sollen die Tiere dabei helfen, das angegriffene Steppenökosystem wieder aufzubauen.
Wenn Julia Bohner von Kulanen spricht, merkt man, dass die Tiere es ihr angetan haben. Diese asiatischen Wildesel sind sehr schlau, erzählt sie, und extrem widerstandsfähig. Dadurch und durch ihr schönes, beige gefärbtes Fell sind sie ideal an das Leben im Ökosystem der Steppe angepasst, wo sie eigentlich zu Hause sind.
Dort wieder hinzukommen, in die Steppe, dabei hilft Julia Bohner den stark gefährdeten Kulanen. Sie ist Wildtierärztin am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) und hat die tiermedizinischen Maßnahmen einer Auswilderungsaktion in der Steppe Kasachstans geleitet.
"Man kann Kulane auch Ingenieure des Ökosystems Steppe nennen."
"Das Grasland-Ökosystem der Steppe braucht große Pflanzenfresser wie Kulane ganz dringend", erklärt Julia Bohner. Sie nennt sie "Ingenieure des Ökosystems Steppe" und "Vegetations-Architekten". Denn sie erfüllen viele Dienstleistungen für kleinere Spezies, so die Veterinärmedizinerin.
Die Steppe ist ein extremer Lebensraum, erläutert sie: Im Winter kann es dort bis zu Minus 30 Grad kalt werden, im Sommer über 40 Gard heiß. Für die Kulane kein Problem!
Das Ökosystem Steppe ist auf die Dienste der Wildesel angewiesen
Sie helfen kleineren Tierarten im Winter bei der Futtersuche, indem sie mit ihren Hufen den Steppenboden unter der dicken Schnee- und Eisdecke freigraben. Im Sommer wiederum buddeln sie nach Wasser – wovon auch andere Steppen-Mitbewohner profitieren.
Kulane sind außerdem gute Wanderer, die weite Strecken zurücklegen, erklärt die Tierärztin. Mit ihrem Kot verbreiten sie auf ihren Wanderungen Samen von Pflanzen. Und schließlich schützen sie die Steppe beispielsweise auch vor großflächigen Bränden, indem sie gewissermaßen Feuerschutz-Schneisen ins Grasland fressen, die Ausbreitung von Feuern verhindern können.
"Das ist eine Wahnsinnsstrecke von circa 2.000 Kilometern und 50 Stunden."
Die Kulane, die jetzt ausgewildert werden, stammen aus einer kleinen Esel-Population, die im Süden des Landes noch übrig geblieben ist – gerade mal 4.000 Tiere zählt sie. Von dort reisen die Auswilderungskandidat*innen per Lkw zum Altyn-Dala-Reservat.
Weil die Esel aus der freien Wildbahn kommen und noch nie eingesperrt waren, würden sie auf der Reise in den Lkw in Panik geraten. Julia Bohners Job ist es, ihnen am Anfang des Transports ein Beruhigungsmittel zu geben, das die gesamte Reise lang wirkt.
"Wir haben gesehen, dass die Tiere auf dem Transport wirklich so entspannt waren, dass sogar Fohlen bei den Müttern getrunken haben."
Diesmal hat alles gut geklappt – alle Tiere sind heil in dem Akklimatisierungsgehege im Schutzgebiet angekommen, erzählt Julia Bohner, und konnten nun nach einem Jahr in die Freiheit entlassen werden, wo sie genüsslich ihrem natürlichen Landschaftspflege-Job nachgehen können.
Dank GPS-Halsbändern beliefern sie die Wissenschaft außerdem noch mit spannenden Daten. Und weitere Artgenoss*innen sollen ihnen noch folgen.
