März 1075: Papst Gregor VII. lässt eine Aktennotiz mit dem Titel "Dictatus Papae" anfertigen. Darin hält er fest, dass er die Hoheit über die weltliche Macht für den Heiligen Stuhl beansprucht. Ein Jahrzehnte währender Streit zwischen Staat und Kirche beginnt.

"Allein der römische Papst darf universell genannt werden, alle Fürsten sollen des Papstes Füße küssen, der Papst kann den Kaiser absetzen und er kann den Treueeid der Untergebenen gegenüber Sündern lösen." So formuliert Papst Gregor VII. seinen Machtanspruch im "Dictatus Papae".

Frontalangriff auf König Heinrich IV.

Dieses Dekret ist ein Frontalangriff auf die Macht König Heinrichs IV. So wie seine Vorgänger hatte dieser mit den Bischöfen seines heiligen, römischen Reiches ein Arrangement getroffen: Der König sucht die geistlichen Würdenträger für die Bischofssitze und andere kirchliche Führungspositionen aus und bekommt im Gegenzug Loyalität, Steuereinnahmen und Hilfe bei der Verwaltung seines Reichs.

Das aber ist dem Papst ein Dorn im Auge, der fortan selbst entscheiden will, welcher Geistliche auf welchem Bischofsstuhl Platz nimmt. Zwischen 1075 und 1077 überschlagen sich die Ereignisse.

"1077 unternimmt Heinrich IV. den inzwischen sprichwörtlichen Gang nach Canossa und unterwirft sich dem päpstlichen Dekret."
Matthias von Hellfeld, Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte

Heinrich IV. wird von Papst Gregor VII. exkommuniziert und damit in der mittelalterlichen Welt kaltgestellt. Wütende Reaktionen der Bischöfe und der Territorialfürsten in Heinrichs Reich sind die Folge: Die einen wollen den Status Quo erhalten, weil er ihnen angenehme weltliche Vorteile verschafft, die anderen sehen darin eine Möglichkeit, den König loszuwerden.

Der König nimmt daraufhin seinen berühmten Gang nach Canossa auf, um sich dem päpstlichen Dekret zu unterwerfen. Der Streit zwischen weltlicher und geistlicher Macht geht trotzdem weiter – bis zum 23. September 1122. An diesem Tag unterzeichnen Papst Calixt II. und Kaiser Heinrich V. das Wormser Konkordat.

Papst setzt sich weitgehend durch

Am Ende des Streites setzt sich die päpstliche Seite weitgehend durch. Das Wormser Konkordat sieht vor, dass die "Investitur" (Einsetzung) der Bischöfe künftig dem Papst obliegt. Der Kaiser ist dabei lediglich durch einen Delegierten vertreten, der anschließend den frisch Gewählten ein Lehen als Ausdruck der weltlichen Investitur verleiht.

Ihr hört in Eine Stunde History:

  • Der Wuppertaler Historiker Jochen Johrendt erläutert die Pläne und Ziele, die Papst Gregor VII. verfolgte.
  • Die Schweizer Historikerin und Expertin für Kirchengeschichte, Claudia Zey beschreibt die Bedeutung des Konkordats für das Verhältnis zwischen Kirche und Staat
  • Der Experte für die Geschichte des Heiligen Römischen Reichs Malte Prietzel, schildert die Folgen des Konkordats für die mittelalterliche Geschichte Europas
  • Deutschlandfunk Nova Geschichtsexperte Dr. Matthias von Hellfeld blickt zurück auf die Anfänge der "Reichskirche" im fränkischen Reich des 7. und 8. Jahrhunderts
  • Deutschlandfunk Nova-Reporterin Wiebke Lehnhoff erinnert an den Beginn des Streits im Jahr 1075
Shownotes
Kirche und Staat
Das Wormser Konkordat von 1122
vom 05. August 2022
Moderatorin: 
Meike Rosenplänter
Gesprächspartner: 
Matthias von Hellfeld, Deutschlandfunk Nova
  • Jochen Johrendt erläutert die Pläne und Ziele, die Papst Gregor VII. verfolgte
  • Claudia Zey beschreibt die Bedeutung des Konkordats für das Verhältnis zwischen Kirche und Staat
  • Malte Prietzel schildert die Folgen des Konkordats für die mittelalterliche Geschichte Europas