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Der Internationale Gerichtshof hat entschieden: Nachhaltige Umwelt ist Menschenrecht. Aktivistin Jule Schnakenberg erzählt, warum sie das Verfahren angestoßen hat. Wir klären, welche rechtlichen Folgen die Entscheidung für Deutschland haben könnte.

Es ist ein Moment, auf den viele in der internationalen Klimabewegung jahrelang hingearbeitet haben: Der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag hat ein umfassendes Gutachten zur Verantwortung von Staaten beim Klimaschutz vorgelegt. Angestoßen wurde es von der Organisation World's Youth for Climate Justice, einem Netzwerk aus verschiedenen Organisationen, die sich für Klimaschutz einsetzen. Jule Schnakenberg ist Juristin und Mitbegründerin der Organisation.

Staaten werden zu Klimaschutz verpflichtet

Jule Schnakenberg ist 26 Jahre alt, kommt aus Hamburg und lebt seit drei Jahren in Den Haag, um zu erreichen, dass der Klimawandel völkerrechtliches Thema wird. Und genau das haben sie und ihre Mitstreiter*innen erreicht.

"Der Klimawandel wird nicht durch ein Gutachten gestoppt. Aber es ist der bestmögliche Ausgang, den man sich von dieser Initiative erhoffen konnte."
Philip Raillon, ARD-Rechtsredaktion

Das 500 Seiten lange Gutachten des IGH geht weit über das hinaus, was viele erwartet haben, sagt Philip Raillon aus der ARD-Rechtsredaktion. Seiner Einschätzung nach sind folgende vier Punkte zentral:

  1. Der Klimawandel ist real und eine existenzielle Gefahr für die Menschheit.
  2. Eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt wird erstmals als Menschenrecht formuliert.
  3. Alle Staaten, auch solche, die Klimaabkommen nicht ratifiziert haben, sind verpflichtet, Klimaschutz zu betreiben.
  4. Der Weg ist frei für mögliche Entschädigungsklagen kleiner, besonders betroffener Staaten gegen große Staaten, wenn die ihre Pflicht zum Klimaschutz nicht einhalten.

Gerade der letzte Punkt lässt aufhorchen, sagt Philip Raillon. Denn bisher konnten sich Länder wie Vanuatu oder Fidschi kaum gegen Staaten gegen die USA oder China wehren, die wesentlich zum Klimawandel beitragen. Jetzt hat der IGH juristisch angedeutet: Doch, das geht. Auch wenn es schwer sein dürfte, die direkte Verantwortung nachzuweisen.

Gutachten ohne rechtliche Bindung, aber mit Gewicht

Doch bei aller Freude der Aktivist*innen gilt: Der IGH hat kein Urteil gefällt, sondern ein Gutachten veröffentlicht. Das bedeutet, dass es rechtlich nicht bindend ist. Dennoch hat dieses Gutachten Gewicht, sagt Philip Raillon. Der IGH sei das wichtigste Gericht der Vereinten Nationen. Über 70 Staaten haben sich seiner Rechtsprechung unterworfen.

Was hier formuliert worden sei, habe nicht nur politisch, sondern auch juristisch Signalwirkung. "Die Gutachten des IGH werden von Gerichten aufgegriffen", erklärt Philip Raillon. Auch das Bundesverfassungsgericht habe das in der Vergangenheit mehrfach getan.

"Wenn Staaten das Gutachten einfach ignorieren, wäre das fatal. Aber wenn sie sich damit auseinandersetzen, kann es die Klimabewegung deutlich stärken."
Philip Raillon, ARD-Rechtsredaktion

Das Gutachten, so Philip Raillon, könnte bei zukünftigen Gerichtsprozessen eine entscheidende Rolle spielen, etwa wenn Klimaklagen vor nationalen Gerichten verhandelt werden. Die Formulierungen des IGH liefern dafür Argumente. Auch bei Klimakonferenzen oder G20-Gipfeln dürfte das Papier aufgegriffen werden.

"Ich werde jetzt erst einmal meinem Team eine Pause verordnen. Dann geht es zurück an die Umsetzung. Unsere Arbeit ist noch lange nicht getan."
Jule Schnakenberg, Mitbegründerin der World's Youth for Climate Justice

Doch bevor es weitergeht, nimmt sich Jule Zeit zum Durchatmen. "Zum ersten Mal seit Langem habe ich nicht das Gefühl, gleichzeitig 350 Dinge erledigen zu müssen." Und nachdem die ganz großen Nachrichten vom Klimagutachten berichtet haben, verstehen nun auch ihre Großeltern besser, was ihre Enkelin eigentlich beruflich macht, erzählt sie und lacht.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an unboxingnews@deutschlandradio.de

Shownotes
Internationaler Gerichtshof in Den Haag
Klimagutachten: Game Changer beim Klimaschutz?
vom 24. Juli 2025
Moderation: 
Rahel Klein
Gesprächspartnerin: 
Jule Schnakenberg, Aktivistin, hat das Verfahren angestoßen
Gesprächspartner: 
Philip Raillon, ARD-Rechtsredaktion