In diesem Roman trifft die Protagonistin Clara auf ihre Vergangenheit – und sieht sich mit den Erwartungen an ihr damaliges Ich konfrontiert. Ein Ich, dass sie dachte, längst hinter sich gelassen zu haben.
Die mittelweile dreißig Jahre alte Clara ist für zehn Tage nach Caserta bei Neapel in Italien zurückgekehrt – widerwillig. Dorthin, wo sie in ihrer Jugend mit dem Skaterboy Luca heimlich Musik auf CD-Playern hörte, bis die Batterien leer waren, er ihr das Skateboard fahren beibrachte und sie einfach glücklich war. Nun heiratet ihre Cousine Rossella Luca, den Skaterboy von damals.
Clara muss sich entscheiden, wer sie sein will
Kaum in Neapel gelandet, spürt sie die Verwandlung zurück zum Mädchen, das brav und schweigsam neben dem dozierenden Vater im Auto sitzt, das von Nonnen unterrichtet und zur Beichte geschickt, das auf dem Schulhof von den Gleichaltrigen gemieden und von Luca nur heimlich beachtet wurde. Weil sie anders war, damals schon.
Sie sind sofort wieder da, die Erwartungen an sie, zwischen frommen Gebeten und endlosem Getratsche, die Erwartungen an sie als junge Frau, die allein dafür auf dieser Welt zu sein scheint, um einen guten, also: gut verdienenden Mann zu finden, ihn an sich zu binden, also: zu heiraten, um ihren Großeltern Enkelkinder zu schenken und ihren Eltern keine Schande zu machen.
Früher hatte Clara diese Erwartungen nicht so konkret in Frage stellen können, wie sie es heute kann. Und muss. Sie führt eine offene Beziehung, jobbt als Italienisch-Lehrerin, schreibt Geschichten und tindert aus Lust und Laune, und nicht, weil sie einen Mann sucht, wie die Männer ihr gern unterstellen. Früher, als Rossella und sie ihr Lieblingsspiel spielten, Erwachsen-Sein, da war es nur so ein Gefühl, dass sie was anderes will. Und jetzt ist sie wieder hier. Und das ist so seltsam. Sie hat das Gefühl, sich entscheiden zu müssen: Wieder mitspielen – oder endlich sie selbst sein?!
Das Buch:
"Anständige Mädchen" (OT: "Ragazze perbene", 2023) von Olga Campofreda, aus dem Italienischen übersetzt von Verena von Koskull, erschienen im nonsolo Verlag, 240 Seiten, Taschenbuch: 23 €, eBook: 11,99 €; ET: 03.09.2024
Der Nonsoloverlag über die Autorin:
Olga Campofreda wurde 1987 in Caserta geboren und lebt in London, wo sie am Institut für Italian Studies des University College über Bildungsromane, Gegen- und Jugendkulturen forscht und mit dem Italienischen Kulturinstitut zusammenarbeitet. Parallel trainiert sie die englische Under 20-Nationalmannschaft im Fechten. Ihren Erstlingsroman La confraternità di Elvis (ARPANet) veröffentlichte sie 2009; ihre Erzählungen sind in Zeitschriften und Literaturblogs erschienen. Zu ihren jüngsten Veröffentlichungen gehören A San Francisco con Lawrence Ferlinghetti (Giulio Perrone Editore 2019) und der Essay über Pier Vittorio Tondelli Dalla generazione all’individuo (Mimesis 2020). Sie ist Co-Autorin des Podcasts The Italian Files und gibt zusammen mit Eloisa Morra Elettra heraus, eine anthologische Reihe über die Beziehung zwischen Vätern und Töchtern.