Bei den Lockerungen der Covid-19-Beschränkungen verlangt die Regierung von uns Menschen Disziplin beim Einhalten der Hygiene- und Abstandsregeln im Alltag. Doch mit der Wahl des Wortes Disziplin ist es so eine Sache.
Disziplin sei ein Wort, das bei uns negativ assoziiert sei. Es erinnere uns an Hausarrest und an Bestrafung, sagt die Psychologin Laura Klimecki. Menschen würden sich dagegen wehren. In der Psychologie gibt es dafür den Fachbegriff Reaktanzreaktion.
"Wenn wir das Wort Disziplin hören, dann denken wir, jemand gibt uns Hausarrest, jemand bestraft uns, wir haben was angestellt und wir wehren uns dagegen."
Selbstdisziplin klingt dagegen schon ganz anders. Sich Dinge vornehmen und dann umsetzen, ist gut. Doch um diese Art Disziplin geht es bei unserem Verhalten im Zusammenhang mit Covid-19-Pandemie nicht. Die Ansage kommt von außen, sagt unser Reporter Stephan Beuting.
Menschen brauchen Erklärungen
Wichtig für uns Menschen sei, disziplinarische Maßnahmen nachvollziehen zu können und Erklärungen dafür zu erhalten. Dann nehme auch unser Verständnis und die Bereitschaft zu, diese anzunehmen, sagt Laura Klimecki.
Doch klingen die 800 Quadratmeter als Obergrenze bei den Eröffnungsregeln nicht erst mal willkürlich? Und warum sind in dem einen Bundesland Autohäuser von der Regel ausgenommen, im anderen Möbelmärkte? Je weniger nachvollziehbar die Regeln für uns werden, je unklarer die Motivlage, desto größer werde das Problem mit der Disziplin. Laura Klimecki fordert deshalb von der Politik Fragezeichen in Ausrufezeichen zu verwandeln.
Politiker sollten keine Pädagogen sein
Bei den Lockerungen der Beschränkungen im Kampf gegen die Corona-Krise appellierte Kanzleramtsminister Helge Braun mehrfach mit dem Wort Disziplin an die Menschen. Es werde eine Lockerung versprochen und gleichzeitig eine Drohung ausgesprochen, meint der Philosoph Matthias Burchard. In der Sache gehe er zwar mit, die Wortwahl aber sei ihm doch ein wenig unheimlich, sagt er.
"Da wird eine Lockerung versprochen und gleichzeitig eine Drohung ausgesprochen. Von der Sache würde ich da ja noch mitgehen aber von der Wortwahl ist es mir doch ein wenig unheimlich."
Matthias Burchard arbeitet im pädagogischen Bereich, in dem Disziplin einen festen Platz hat. Pädagogik sei das Anleiten der Kinder. Doch Politiker seien keine Pädagogen und sie sollten nicht von Disziplin sprechen. Politiker, die als Pädagogen sprechen würden, seien Demagogen.
Fordern die Politiker von uns jetzt Disziplin, dann geht es konkret um den Infektionsschutz und Hygiene. Im weiteren Sinne geht es aber auch darum, dass wir tun, was man uns sagt, meint unser Reporter Stephan Beuting. Dabei sind wir doch der Souverän, sagt zumindest die Verfassung. Eine schwierige Situation.
Matthias Burchardt würde es deshalb vorziehen, von Verantwortung zu sprechen. Der Begriff habe auch eine ethische Dimension. Denn damit würden wir Gutes auch da tun können, wo es die Disziplin nicht von uns verlange, meint er.
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