Lange Lieferzeiten – darauf müssen sich gerade viele Menschen weltweit einstellen, wenn sie ein neues Produkt bestellen. Die Warenströme sind aus dem Gleichgewicht geraten. Aber warum?
Das neue Fahrrad, der tolle Sessel oder einfach das kleine Verbindungskabel, das wir so gerne hätten. Viele Produkte sind aktuell vergriffen. Denn Fabriken können nicht so viel produzieren, wie nachgefragt wird, Schiffe müssen vor Häfen warten und Container, mit denen Waren transportiert werden, stehen nicht dort, wo sie stehen sollen. Oder fehlen schlichtweg.
"Wir haben in den letzten Jahren den Zustand, dass die Transportketten immer weiter optimiert wurden, dass wir also über Just-in Time-Produktion sprechen. Die Lager sind abgebaut worden."
Wer verstehen will, warum das so ist, muss zum einen auf die Auslöser schauen, aber auch auf die Art des globalen Wirtschaftens, also Struktur und Aufbau. Und diese Struktur basiert in großen Teilen auf Just-In-Time: Produktions- und Lieferketten sind genau aufeinander abgestimmt und richten sich nach der Nachfrage. Das hat unter anderem zum Vorteil, dass man keine großen Lager mehr braucht, da alles punktgenau angefertigt werden kann.
Aber dieser vermeintliche Vorteil wird in Ausnahmezeiten eben zum Nachteil. Falk von Seck, Professor für Transportmanagement an der Jade Hochschule, sagt: "Das führt dazu, wenn an irgendeiner Stelle der Kette ein Stopper kommt, ein Domino-Effekt eintritt."
Weltweite Handelsströme durch Dominoeffekt beeinflusst
Aber zurück zu den Auslösern dieses Dominoeffekts, die unsere globalen Lieferketten unterbrechen. Der erste Hauptgrund liegt nahe: die Corona-Pandemie. Wir gehen gerade mit den Auswirkungen der Pandemie um. Auch in Form von Häfen, die wegen Covid-Fällen von Mitarbeitenden zum Teil ganz geschlossen wurden, zum Beispiel in Asien.
Neben diesen Corona-Effekten kommt die Sperrung des Suezkanals hinzu, denn ein Großteil der Waren wird über den Seeweg transportiert. Und aktuell gibt es einen weiteren Auslöser: US-Bürgerinnen und -Bürger scheinen extrem viel bestellt zu haben. Die Nachfrage in den Vereinigten Staaten ist so überraschend explodiert.
"Amerikanische Häfen sind so verstopft, dass vor diesen Hafen große Warteschlangen an Schiffen auf Reede liegen, wochenlang."
Wegen der stark gestiegenen Nachfrage fahren extrem viele Schiffe Richtung Nordamerika, die aber in den Häfen nicht gelöscht oder entladen werden können. Sie ankern zum Teil wochenlang vor den Häfen, so Falk von Seck. Das wiederum führt zu einer verspäteten Rückfahrt nach China. Die Schiffe kommen so im Durchschnitt aktuell rund drei Wochen verspätet an.
Alternative Transportwege zum Seeweg
Wenn der Seeweg also so kompliziert ist, warum nicht auf andere Transportwege ausweichen? Über IKEA wird berichtet, es habe zum Beispiel nach Zug-Transporten für seine Möbel geschaut. Die Strecke geht von China nach Europa, gut zwei Wochen dauert eine solche Fahrt mit Güterzügen, die rund einen Kilometer lang sind.
"Insofern sind es Blockzüge, die einmal in China auf die Schiene gesetzt und in Duisburg dann aufgelöst werden."
Aber auch hier gibt es Herausforderungen: Denn die Züge passieren verschiedene Länder und damit verschiedene Spurweiten. Deshalb müssen die Waggons immer wieder umgespurt werden – das ist aufwendig und teuer. Für die Zukunft plant man durchgehende Gleise mit derselben Spurweite.
Auswirkungen sollen für Konsumenten nicht mehr lange zu spüren sein
Also bestellen wir das Weihnachtsgeschenk lieber im Oktober, damit es im Dezember ankommt? Nein, sagt Saskia Wagner-Sardesai vom Fraunhofer Institut für Logistik. Die aus dem Gleichgewicht geratenen Lieferketten werden die Unternehmen wohl noch länger beschäftigen. Für die Konsumentinnen und Konsumenten solle sich die Lage aber bald wieder entspannen.
Bei Fahrrad-Ersatzteilen oder Elektronik ist es trotzdem sicherer, mit langen Lieferzeiten zu rechnen. Oder man setzt dieses Weihnachten einfach auf etwas Regionales. Da ist die Lieferkette auch nicht so lang.