Zwei Freundinnen klettern auf die Gleise und machen gemeinsame Selfies. Sie werden von einem Zug erfasst. Dieser Trend hat Mädchen bereits das Leben gekostet. Der Druck, sich mit der besten Freundin abgefahren zu inszenieren, ist groß.
Laut Bahn werden Mädchen zwischen 12 und 14 Jahren im Gleisbett immer wieder verletzt oder kommen sogar ums Leben. Jugendforscher Martin Voigt meint, das Phänomen hat damit zu tun, wie sich Mädchenfreundschaften durch soziale Netzwerke verändert haben. Seit 2005 beobachtet er, dass Mädchen sich für das Motiv im Gleisbett interessieren. Diesen alten Klassiker der Fotografie haben sie genutzt, um ihre Freundschaften hochdramatisch und emotional zu inszenieren, meint er.
"Die Mädchen haben Möglichkeiten gesucht, sich in sozialen Netzwerken außergewöhnlicher zu präsentieren, als das bisher so üblich war"
Zwischen 12 und 14 ist es extrem wichtig eine beste Freundin an der Seite zu wissen und das eben auch möglichst deutlich zu zeigen. "Das richtet sich nicht etwa an die Anonymität im Netz, sondern an die Klassengemeinschaft oder die Jahrgangsstufe", weiß Martin Voigt. Damit sich niemand zwischen beste Freundinnen drängeln kann, kombinieren die Mädchen die Gleisbett-Selfies mit Aussagen wie: "Auch wenn jetzt ein Zug kommt, ich würde deine Hand halten" oder "Egal, wohin du gehst mein Engel, ich gehe immer mit dir".
Soziale Netzwerke bieten die Möglichkeit Freundschaften medial zu fixieren, erklärt der Jugendforscher. Und so werden Freundschaften dann eben auch vergleichbar. Ein wichtiger Punkt, denn das war früher nicht der Fall: Es gab nur den Pausenhof, um den Mitschülern zu zeigen, wer die beste Freundin ist.
Fragebögen musste Martin Voigt für sein Projekt über Mädchen im Netz übrigens nicht mehr verteilen. Er musste Informationen lediglich Abschöpften: Bei Facebook und Co präsentieren Mädchen ihre Lebenswelten und Ich-Entwürfe heute völlig offen.
"Vorher gab es nur den Pausenhof über den man Händchenhaltend laufen konnte. Jetzt inszeniert sich eine komplette Generation. Das macht Freundschaften vergleichbar."
Aus der frühen SMS-Abkürzung "Hdl" wurde "Hab dich lieb", wurde "Lieb dich" - bis hin zu "Ich liebe dich". Diese Aussage nutzen junge Mädchen fast wie eine Grußfloskel und übrig bleibt nur noch eine emotionalen Phrase, mein Martin Voigt: "Das ist das beste Beispiel, um nachzuvollziehen, was soziale Medien in der Generation der 12 bis 15 Jährigen ausgelöst haben."
Mehr dazu im Netz:
- Mädchen im Netz | Buch von Martin Voigt
- Deutsche Präventionstage | Fotos im Gleisbett (PDF)
- Eine soziolinguistische Untersuchung | Mädchenfreundschaften unter dem Einfluss von Social Media (PDF)