Asiatische Comichelden sind eine Seltenheit in westlichen Superhelden-Erzählungen. Marvels neuer Hero Shang-Chi hat in China eine Kontroverse ausgelöst.

Noch bevor der Marvel-Film "Shang-Chi und die Legende der zehn Ringe" veröffentlicht ist, gibt es bereits Diskussionen um die Darstellung des US-amerikanisch-chinesischen Superhelden. Im Trailer sehen wir, wie der Superheld Shang-Chi Kung-Fu-Kämpfe virtuos vollführt. Er kämpft in dunklen chinesischen Anwesen, in einem Mahjong-Spielsalon oder auch in einem öffentlichen Bus in den USA, wo Shang-Chi lebt.

Shang-Chi bietet all das, was man von einem Superhelden mit chinesischen Wurzeln erwartet: Er ist ein Meister der Kampfkünste. Und da liegt wohl auch das Problem, denn die Figur wird von manchen Chinesen als ein Abbild westlicher Stereotype gesehen.

"Die AmerikanerInnen machen Geld mit den ChinesInnen. Sie stereotypisieren und diskriminieren die im Ausland lebenden ChinesInnen in ihrer westlichen Kultur."
Ein Kommentar des Users Xiaoboguaiguai auf der chinesischen Social-Media-Plattform Weibo

Besonders die Figur des Bösewichts im Film wird kritisiert. Der Antagonist Wenwu, der zugleich Vater der Hauptfigur Shang-Chi ist, heißt im ursprünglichen Marvel-Comic Fu Manchu. Er basiert auf dem gleichnamigen chinesischen Bösewicht des britischen Schriftstellers Sax Rhomer. Dessen Vorlage weist anti-chinesische Ideologien und rassistisch geprägte Stereotype auf.

"Groß, schlank, katzenhaft, hochgeschultert, mit einer Augenbraue wie Shakespeare und einem Gesicht, wie Satan. Mit großem Intellekt, Stelle dir dieses schreckliche Wesen vor und du hast ein mentales Bild von Dr. Fu Manchu: die gelbe Gefahr inkarniert in einem Mann."
Der Marvel-Charakter Wenwu basiert auf der Figur des Dr. Fu Manchu des Autors Sax Rhomer. Die Vorlage ist deutlich geprägt von einer anti-chinesischen Ideologie.

Auch das Aussehen der US-amerikanischen Schauspielerinnen und Schauspieler mit chinesischen Wurzeln wird kritisiert. Manchen Chinesen sind sie zu nah an US-amerikanischen Stereotypen von Chinesen und zu weit weg von chinesischen Schönheitsidealen. Diese Kritik richtet sich unter anderem an den Schauspieler Simu Liu, der Shang-Chi spielt, und die Schauspielerin Awkwafina, die Shang-Chis gute Freundin Katy spielt. Die Besetzung des Bösewichts Wenwu, gespielt von Tony Leung, wird von chinesischem Publikum hingegen eher gelobt.

Entspricht nicht der Realität: Heller Teint, schlanke Figur und ein kindliches Gesicht

Der Philosophiestudent und Marvel-Fan Dapeng hält auch nicht viel davon, dass die Schauspielerinnen und Schauspieler sehr den üblichen chinesischen Schönheitsidealen entsprechen. Sein Argument: In China leben viele verschiedene Ethnien. Ein Charakter, der sich dadurch auszeichne, dass er hellhäutig und schlank sei und ein kindliches Gesicht habe, spiegele nicht die Realität wider.

"Das chinesische Schönheitsideal ist: weiß und dünn sein, ein kindliches Gesicht haben. Eine absurde gesellschaftliche Vorstellung. Die Menschen in China sehen sehr unterschiedlich aus."
Dapeng, chinesischer Marvel-Fan

Dem neuen Marvelfilm hält Dapeng außerdem zu Gute, dass er an vielen Stellen von der Comicvorlage abweiche und damit vieles, was nicht mehr zeitgemäß ist, verändert habe.

"Marvel hat letztendlich viel am Film verändert. Ich finde, das haben sie gut gemacht. Sie haben viele Aspekte rausgelassen, die heute nicht akzeptabel gewesen wären."
Dapeng, chinesischer Marvel-Fan

Der Film zielt darauf, gleichzeitig einem Publikum in China und in den USA zu gefallen. Bei diesem Film, der teils auf westlichen Stereotypen beruht, sich aber auch an chinesischer Kultur orientiert, prallen Schönheitsideale und Kulturvorstellungen aufeinander.

US-amerikanische Schauspielerinnen und Schauspieler mit chinesischen Wurzeln kommen zum Teil nicht so gut beim chinesischen Publikum an. Für einen Film dieser Machart ist es daher schwierig, eine Brücke zwischen Ost und West zu schlagen.

Shownotes
Stereotype
Kritik in China am ersten asiatischen Marvel-Held
vom 16. Juni 2021
Moderator: 
Paulus Müller
Autorin: 
Joyce Lok-Teng Lee, Deutschlandfunk Nova