In einem Hochglanz-Video stellt Meta vor, wie das Metaverse aussehen könnte: Als eine perfekte Symbiose aus materieller und virtueller Welt. Dazu wird es wohl nicht kommen.
Der Konzern Facebook heißt jetzt Meta. Das passt zum neuen großen Projekt von Mark Zuckerberg: das Metaverse. Die Ankündigung, dieses neue und umfassende Netzwerk zu errichten, das die materielle mit der digitalen Welt vereint, ist um die ganze Welt gegangen. Meta zeigt in gut produzierten Videos, was das am Ende konkret bedeuten könnte.
In einem Video ist zum Beispiel ein Mann zu sehen, der sich im Homeoffice an seinen Schreibtisch setzt, eine Brille aufsetzt und dadurch den vollen Zugang zur virtuellen Realität erlangt.
Beziehungsweise man müsste eher sagen: zur Augmented Reality, auch erweiterte Realität genannt. Die unterscheidet sich von einer reinen virtuellen Realität dadurch, dass sie Elemente der materiellen Welt enthält. Sie ist also eine Mischung aus materieller (in diesem Fall: Raum, Schreibtisch, Kaffeetasse) und digitaler (Personen, Daten, Grafiken, Videos) Welt, während bei einer Virtual Reality nur letzteres existiert.
Augmented Reality in Reinform
Genau das ist in dem Video zu sehen: Der Mann sitzt an seinem physischen Schreibtisch und nimmt einen Schluck aus einer physischen Kaffeetasse. Rechts neben ihm, nur wenige Meter entfernt, geht eine virtuelle Frau an ihm vorbei und winkt ihm zu, er grüßt zurück.
Wichtig ist: Das Video suggeriert, dass es die Frau wirklich gibt, also eine real existierende Kollegin ist, die irgendwo anders arbeitet. Der Fall wäre ein anderer, wenn sie eine zufällig von der Software generierte Figur wäre, die für das Gesamtszenario nicht mehr als Dekorationszwecke erfüllen würde.
Im Video wird also ein Szenario gezeigt, in dem ein Mensch in der materiellen Welt und eine virtuelle Ausgabe eines anderen Menschen in der materiellen Welt (Avatar) in Kontakt treten – das ist Augmented Reality in Reinform. Und für deren Zugang sorgt in diesem Fall lediglich eine normal aussehende Brille.
"Das ist ein Traum, der technisch unrealistisch erscheint, mindestens aber noch sehr weit weg ist."
Die Technikjournalistin Eva Wolfangel ist skeptisch. "Zurzeit ist so etwas unmöglich", sagt sie, "und es ist fraglich, ob das überhaupt jemals realistisch ist." Für ein solches Szenario müssten nämlich viele Voraussetzungen erfüllt sein:
- Entweder müsste die virtuelle Ausgabe der Frau im Sichtfeld des Mannes von der Brille erzeugt werden. Die Brille hätte also eine hochleistungsfähige Projektionstechnik integriert, die etwas erzeugt, das das menschliche Auge und das Gehirn als realistisch aussehende dreidimensionale Formen wahrnimmt. Und zwar in jeder Blickrichtung und in jeder Entfernung. Eine Alternative könnte eine neurologische Schnittstelle sein, sodass die entsprechende Technik die Bilder direkt im Gehirn erzeugt – was die Sache eher noch weniger praktisch umsetzbar erscheinen lässt.
- Oder aber die virtuelle Frau wird gar nicht von der Brille erzeugt, sondern als ein Hologramm im Raum. Der wiederum müsste dann aber mit entsprechenden Geräten ausgestattet sein, so etwas ähnliches wie 3D-Beamer. Das von Meta angedeutete Metaverse-Szenario würde also nur in bestimmten, speziell vorbereiteten Räumen funktionieren.
- Damit sich Mann und Frau zuwinken können wie in einem echten Großraumbüro, müssten die beiden räumlich in gewisser Weise synchronisiert sein. Angenommen, die Frau läuft in einem real existierenden Großraumbüro umher, dann müssten das Großraumbüro und das Büro im Homeoffice miteinander verschmelzen. Die Software müsste also mindestens von beiden Büros ein virtuelles Abbild haben. Prinzipiell möglich ist das: Räume können auch heute schon dreidimensional vermessen werden, zum Beispiel durch entspreche Foto- und Videoaufnahmen oder einer lasergestützten Vermessung mit entsprechenden Geräten. Fraglich ist aber, ob jeder real existierende Raum, der Teil vom Metaverse werden soll, vorher aufwändig vermessen werden kann und soll.
- Damit eine real wirkende Begegnung zwischen zwei Menschen stattfinden kann, muss das System wissen, wo sich die beiden Menschen befinden. Also müssten alle Räume zum Beispiel mit entsprechenden Kameras dauerüberwacht oder mit entsprechenden Techniken der Indoor-Navigation ausgestattet werden, so eine Art GPS für Innenräume.
Wahrscheinlicher ist eine rein virtuelle Welt
Eva Wolfangel sagt, dass das alles entweder niemals klappen wird oder zumindest noch sehr lange dauern wird. Für viel wahrscheinlicher hält sie es, dass das Metaverse in erster Linie ein rein virtueller Raum wird ohne eingebundene Elemente der materiellen Welt. Erzeugt wird also eine virtuelle Realität, keine erweiterte.
Auch das kann Spaß machen und von hohem Nutzen sein. Was man dazu sagen muss: Erfunden hat das Meta (ehemals Facebook) nicht. Schon das vor Jahren populäre Spiel Second Life verfolgte den Ansatz der virtuellen Realität. Auch das weltweit verbreitete Game Fortnite nutzt das Prinzip.
"Hatespeech ist einer virtuellen Realität noch schmerzhafter."
"Das, was attraktiv ist, an Metaverse ist eine Social-Virtual-Reality. Dort trifft man sich als Avatare, und das funktioniert auch heute schon", sagt die Technikjournalistin Eva Wolfangel. Sie selbst trifft sich in der virtuellen Welt mit Menschen aus aller Welt. Menschen zusammen zu bringen, sei das große Potenzial einer virtueller Realität. Nur: Sie sieht keinen Grund, warum das durch Augmented Reality erweitert werden sollte. Und sie glaubt auch nicht, dass das funktionieren würde.
Dass Meta das Konzept der virtuellen Realität jetzt noch bekannter macht, begrüßt Eva Wolfangel – womöglich erhalten dadurch noch mehr Menschen Zugang dazu. Problematisch findet sie aber, dass es ausgerechnet der Meta-Konzern ist, der beim Metaverse die Regeln bestimmt und in letzter Zeit nicht dadurch aufgefallen ist, konsequent gegen Hass bei Facebook vorzugehen. "Wir sehen, dass deren Algorithmen Dinge wie Hatespeech und Falschinformationen sogar verstärken", sagt Eva Wolfangel. "Und so etwas ist in der Virtual Reality noch schmerzhafter."