Als Davide Martello am Tag nach den Anschlägen in Paris vor dem Club Bataclán "Imagine" spielt, trifft er nicht jede Taste. "Die Emotionen waren viel zu stark", sagt der Straßenmusiker. Mit seinem mobilen Flügel reist er um die Welt - um eine Botschaft für den Frieden weiterzutragen.

Er sucht sich spontan aus, wo er hinfährt, sagt Davide Martello. Ein wenig ziehe es ihn immer dorthin, wo er das Gefühl hat, gebraucht zu werden. Der Mann mit dem Piano spielte unter anderem vor zwei Jahren auf dem Taksim Platz in Istanbul. Bilder, die um die Welt gingen: Davide am Klavier, ganz ruhig, und um ihn herum türkische Demonstranten und Polizisten.

Eine Herzensangelegenheit

Auch in der Nacht des 13. November entscheidet Davide, der in Konstanz lebt, spontan dorthin zu fahren, wo Menschen ihr Leben durch Terror verloren haben. Wenige Stunden, nachdem ihn die Nachricht von den Pariser Attentaten erreicht, fährt er mit Auto und mobilem Klavier in die französische Hauptstadt - entgegen dem Rat seiner Freunde.

"Als ich gesehen habe, was in Paris passiert ist, bin ich noch in der Nacht losgefahren. Ich habe von meinem Herzen aus gehandelt. Auch wenn alle meine Freunde dagegen waren, dass ich dort hinfahre."
Davide Martello

Als er am Morgen an der Konzertlocation Bataclán eintrifft, stehen dort vor allem trauernde Menschen, die fassungslos auf den Ort des Anschlags blicken. Davide entscheidet sich, "Imagine" von John Lennon zu spielen. Wortlos. Obwohl er das Stück tausendmal gespielt hat, war die Situation dieses Mal fast zu viel für ihn, sagt er. Direkt danach wollte er nur weg: "Ich musste erst einmal zu mir kommen".

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Bewegt haben ihn die Reaktionen der Menschen vor Ort: die erschüttert waren, sich aber auch bei ihm bedankten. Losgelassen hat ihn das auch nach dem ersten Besuch nicht, sodass er zwei Tage später erneut nach Paris reiste: Auf jedem Platz in der Hauptstadt wollte er spielen.

"Beim Raustragen meines Flügels habe ich die Blutlachen gesehen. Ich konnte mich kaum konzentrieren. Da waren die Emotionen zu stark."
Davide Martello

Leicht zu erschüttern ist Davide nicht. Er spielte in der Ukraine während der Proteste auf dem Maidan. Nachdem in Köln eine Demonstration von Rechten und Hooligans eskaliert war, parkte Davide sein Klavier auch dort: Mit deutschen Schlagern wie "Atemlos" oder "Über den Wolken" wollte er die angetrunkene Menge ablenken und beruhigen. Der Plan ging auf. Ein Teil sang seine Lieder mit. "Feierabendmusik" nennt Martello das rückblickend: Die Leute sollten endlich nach Hause gehen.

Hooligans und "Feierabendmusik"

Eigentlich hat der Deutsch-Italiener Davide aber noch ein anderes Ziel: Er will in jeder Hauptstadt der Welt spielen. "Ich bin neugierig", sagt er - auf unterschiedliche Kulturen und darauf, wie seine Musik angenommen wird. Seinen Langzeitplan unterbricht er immer wieder, wenn ihn aktuelle Ereignisse woanders hinziehen. Auch im Brüsseler Stadtteil Molenbeek hat er gespielt. Seine Message des Friedens nimmt er ernst.

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Shownotes
Straßenmusiker Davide Martello
Am Piano gegen das Chaos
vom 28. November 2015
Moderatorin: 
Steffi Orbach
Gesprächspartner: 
Davide Martello