Maximilians Unterschenkel sind gelähmt, seit er denken kann. Nachdem er sich freiwillig dazu entschieden hat, sie amputieren zu lassen, setzt sich der 27-Jährige ein sehr optimistisches Ziel: 136 Tage nach der Operation will er eine 10-Kilometer-Strecke laufen.
Maximilian Schwarzhuber ist zwei Jahre alt, als er nach einem Mittagsschlaf seine Beine nicht mehr bewegen kann. Die Ärzte wissen zunächst nicht, was mit seinem Körper los ist. Erst später stellt sich heraus, dass Maximilian eine seltene Nervenkrankheit hat: das Guillain-Barré-Syndrom.
"Als ich aufwachte, konnte ich meine Füße nicht mehr bewegen und auch nicht mehr spüren."
Die Krankheit ist unkontrollierbar: "Bei mir war es so, dass ich zwischenzeitlich nicht mal mehr sitzen konnte – weil die Lähmung, die war einfach kurz vorm Herzen", erinnert sich der 27-Jährige. Er hat Glück, denn die Lähmung geht zurück und verharrt stabil unterhalb von Maximilians Knien.
Seine Bewegungsmöglichkeiten sind von Kindheit an stark eingeschränkt, was Maximilian schon im Grundschulalter sehr belastet. Er merkt, dass er mit seinen Klassenkameraden nicht mithalten kann. "Das hat letztendlich dazu geführt, dass ich sehr stark gemobbt wurde." Maximilian zieht sich immer mehr zurück.
Wie Optimismus finden, wenn ein Schicksalsschlag auf den nächsten folgt?
Das führt bei Maximilian zu schweren Depressionen, und mit 14 erreicht er seinen Tiefpunkt: "Ich habe damals tatsächlich gegoogelt, wie ich mich am besten schmerzfrei umbringen kann." Er findet – glücklicherweise, wie er selbst heute sagt – keine überzeugende Methode. "Das war für mich selbst noch mal die Bestätigung: Hey Junge, das kann jetzt nicht so weitergehen, und du musst an dir arbeiten", sagt Maximilian heute.
Etwa zur gleichen Zeit stellt sich heraus, dass seine Nieren kurz vorm Kollaps sind – eine Spätfolge der Lähmung. Die Ärzte befürchten, dass er beide Nieren und auch die Blase verliert. Maximilian hat aber wieder Glück und kann alle Organe behalten. Für ihn ein Zeichen, dass er etwas aus seinem Leben machen sollte.
"Während es mir ab 15 Jahren mental immer besser ging, ging es mir körperlich immer schlechter."
Aber natürlich ist Maximilian nicht direkt am nächsten Tag ein neuer glücklicher Mensch. Er selbst beschreibt es als Entwicklung: "Ich habe dann so Dinge gelesen, dass nicht die Umstände entscheiden, ob man glücklich ist, ob man erfolgreich ist – sondern was man daraus macht." Zunächst macht ihn diese Aussage wütend. Er ist überzeugt, niemand könne seine Situation nachvollziehen. Langsam beginnt er aber, sie zu verstehen und zu akzeptieren. Ab dem 15. Lebensjahr geht ihm mental immer besser. Gleichzeitig wird sein Körper immer schwächer.
"Irgendwann hat sich mein Leben nur noch darum gedreht, wie ich schmerzfrei durch den Tag komme", sagt Maximilian. Ständig muss er darauf aufpassen, sich nicht an den Füßen zu verletzen, weil er die Schmerzen nicht spüren kann, die etwa ein Steinchen im Schuh verursachen kann. Deswegen lässt sich Maximilian am 14. November 2017 beide Unterschenkel amputieren, obwohl es medizinisch nicht zwingend notwendig ist.
Freiwillige Amputation: Maximilian entscheidet sich für einen ungewöhnlichen Schritt
Nach der Operation muss Maximilian neu lernen zu laufen und sich an seine Prothesen gewöhnen. Zunächst scherzhaft setzt er sich ein Ziel: 136 Tage nach der Amputation will er bei dem 10-Kilometer-Lauf in seinem Heimatort mitmachen. "Ich habe mir schon jahrelang vorgestellt, da mitlaufen zu können", erinnert sich der 27-Jährige. Dann läuft seine Reha sehr gut, und er verfolgt die Idee immer ernsthafter. Auch sein Prothesentechniker unterstützt ihn.
"Dann war das erst mal eine Schnapsidee, dass ich direkt nach der Amputation gesagt habe: In vier Monaten ist da dieser Lauf, da laufe ich mit."
Und tatsächlich: Maximilian schafft es, knapp vier Monate nach der Amputation läuft er 10 Kilometer in 68 Minuten. Mittlerweile hat er sogar einen Marathon absolviert. Sein neuestes Ziel: in Rekordzeit über den Bodensee segeln.
Maximilian Schwarzhuber ist überzeugt: Leidensfähigkeit und Resilienz lassen sich trainieren: "Wenn man das verinnerlicht hat, dass man immer wieder auf die Schnauze geflogen ist – egal in welchem Lebensbereich – und dass man es trotzdem immer wieder geschafft hat, aufzustehen, dann hat man irgendwann ein gewisses Grundvertrauen".
Sein Ratschlag für belastende Situationen: "Das ultimative Werkzeug für mich ist der Humor", sagt der 27-Jährige. "Humor ist die Wunderwaffe, was das Brechen von Tabus angeht." Sich selbst in schweren Situationen nicht ernst zu nehmen, schaffe Abstand zu den eigenen Problemen und die Möglichkeit, an Selbstakzeptanz zu arbeiten.
Lass dir helfen!
Dich beschäftigen im Moment belastende Dinge? Du hast das Gefühl, in einer ausweglosen Situation zu stecken? Wenn du dir im Familien- und Freundeskreis keine Hilfe suchen kannst oder möchtest, findest du hier einige anonyme Beratungs- und Seelsorgeangebote:
- Telefonseelsorge: Unter 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 erreichst du rund um die Uhr Mitarbeiter, mit denen du über deine Sorgen und Ängste sprechen kannst. Auch ein Gespräch via Chat oder E-Mail ist möglich
- Kinder- und Jugendtelefon: Der Verein "Nummer gegen Kummer" kümmert sich vor allem um Kinder und Jugendliche, die in einer schwierigen Situation stecken. Erreichbar montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr unter der Rufnummer 116 111
- Muslimisches Seelsorge-Telefon: Die Mitarbeiter von MuTeS sind 24 Stunden unter 030 – 44 35 09 821 zu erreichen. Bei MuTeS arbeiten qualifizierte Muslime ehrenamtlich. Ein Teil von ihnen spricht auch türkisch.
- Hier findest du eine Übersicht aller telefonischer, regionaler, Online- und Mail-Beratungsangebote in Deutschland: suizidprophylaxe.de
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