Psychologin Sandra Konrad

"Wir müssen die Enttäuschung unserer Eltern aushalten"

Die Beziehung zu unseren Eltern ist nicht immer einfach. Sie kann von falschen Erwartungen geprägt sein – auf beiden Seiten. Um ein gutes und erwachsenes Verhältnis zu unseren Eltern zu führen, können wir einiges tun.

Die folgenden Gedanken und Gefühle kennen wahrscheinlich vielen Menschen, wenn es um die Beziehung zu den eigenen Eltern geht: "Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich mich nicht genug um meine Eltern kümmere." Oder: "Ich genüge meinen Eltern nicht." Noch tiefgreifender ist vielleicht der folgende Satz: "Meine Eltern sind der Hauptstreitpunkt in meiner Beziehung."

"All das können Anzeichen sein, dass ich mit meinen Eltern noch zu sehr verstrickt bin", sagt Sandra Konrad. Die promovierte Psychologin ist systemische Therapeutin und Sachbuchautorin. Gerade hat sie ein Buch veröffentlicht, in dem sie sich mit Abnabelungsprozessen zwischen Eltern und Kindern befasst.

"Das Tolle am Erwachsen-Dasein: Wir können uns entscheiden und Beziehungen mit gestalten. Das kann so viel angenehmer werden. Für uns, aber auch für alle anderen."
Sandra Konrad, Psychologin

"Viele Menschen fühlen den Leidensdruck, den Eltern nicht genug zu geben oder nicht zu reichen", sagt Sandra Konrad. "Sobald man bei den Eltern am Kaffeetisch sitzt, fühlt man sich wie ein Kind, das fünf, sechs, sieben oder acht Jahre alt ist."

Auswirkung der Eltern-Beziehung auf andere Beziehungen

Diese Verstrickung mit unseren Eltern könne andere Beziehungen überlagern oder sogar prägen. "Ich hatte mal einen Patienten, der eine sehr übergriffige Mutter hatte", erzählt die Psychologin. Unabhängigkeit sei für ihn infolgedessen sehr wichtig geworden.

"Sobald viel später seine Frau nur gefragt hat, wann er zum Abendessen nach Hause komme, wurde er wütend und antwortete: Ich entscheide selbst, wann ich nach Hause komme." Die Nachfrage seiner Frau bedrohte den Mann in seiner Autonomie.

"Je gelöster die Konflikte mit unseren Eltern sind, desto weniger Konflikte entstehen in allen anderen Beziehungen."
Sandra Konrad, Psychologin

Eine wichtige Frage aus therapeutischer Sicht kann in diesem Zusammenhang sein: Auf wen bist du eigentlich wütend und wie alt fühlst du dich?

Etappen der Ablösung

Um die Ablösung von den eigenen Eltern gut hinzubekommen, sind verschiedene Schritte notwendig, sagt Sandra Konrad. Als erstes sollten wir uns unserer eigenen Bedürfnisse und Wünsche in Bezug auf die Eltern-Beziehung bewusst werden.

"Was passt zu mir und was aber auch nicht?" sei eine wichtige Frage dabei. Es gehe darum, Bedürfnisse und Grenze zu erkennen und diese dann auch in einem nächsten Schritt zu formulieren – Kommunikation und Aktion.

"Gleichzeitig sollten wir aber auch unrealistische Erwartungen aufgeben, die die Eltern nicht erfüllen können", sagt Sandra Konrad.

"Es gehört zum Erwachsenwerden, dass wir die Enttäuschung unserer Eltern aushalten."
Sandra Konrad, Psychologin

Im Deep Talk spricht Sandra Konrad mit Sven Preger darüber, warum Abnabelung keine Einbahnstraße ist, warum gelöste Konflikte mit unseren Eltern auch anderen Beziehungen nutzt und wie wir uns selbst gute Eltern sein können.

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Shownotes
Psychologin Sandra Konrad
"Wir müssen die Enttäuschung unserer Eltern aushalten"
vom 19. April 2023
Moderation: 
Sven Preger
Gesprächspartnerin: 
Sandra Konrad, Systemische Therapeutin und Psychologin