Ratten haben einen schlechten Ruf. Sie gelten als dreckig und als Krankheitsüberträger. Die Forschung schätzt die Tiere aber sehr. Unter anderem, weil sie schlau und empathisch sind.
Verlotterte Ratten, die aus dunklen Abflüssen herauskriechen, um alle möglichen Krankheiten auf uns Menschheit zu übertragen – ein bekanntes Bild aus alten Erzählungen. Ratten werden von den meisten nicht gemocht. Anders bei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Die schätzen Ratten sehr – vor allem, weil sie extrem lernfähig sind, ein beeindruckendes Gedächtnis haben und sogar empathisch sind, fasst Biologe Mario Ludwig zusammen.
Ratten können Autofahren
Ratten können beispielsweise das Autofahren erlernen. Okay, also nicht mit einem richtigen Auto, aber mit einem Mini-Roboterfahrzeug, das Psychologen-Team der Universität von Richmond für sie konstruiert hatte. Den Ratten wurde in einer Art "Fahrschule" beigebracht, wie sie mit ihren Pfoten das Fahrzeug steuern können. Auf einer Teststrecke, an deren Ende eine Belohnung auf die Tiere wartete, wurde dann getestet, wie die Ratten ihre Fahrprüfung meistern.
Verspielte Ratten lernen besser
Dabei fanden die Forschenden heraus, dass Ratten, die ohne jegliche Beschäftungsmöglichkeiten aufgewachsen waren, das Autofahren nur schwer erlernten und auch wenig Interesse daran zeigten. Anders verhielten sich Ratten, die mit Spielzeug aufgewachsen waren und damit schon früh ihren Spieltrieb ausleben konnten, erklärt Biologe Mario Ludwig.
Und mehr noch: Das erfolgreiche Autofahren löste bei den verspielten Ratten sogar eine Art Entspannung aus. Sie waren sichtlich zufrieden, die Fahrprüfung erfolgreich gemeistert zu haben. Wohl auch dank ihres extrem guten Gedächtnisses.
Ratten haben ein "episches" Gedächtnis
Neben Entspannung beim Autofahren besitzen Ratten nämlich eine weitere "Superkraft", so Mario Ludwig: Sie können nämlich auf Zeitreise gehen. Forschende der Indiana University in Bloomington haben mit ihren Experimenten bewiesen, dass Ratten ein sogenanntes "episches" Gedächtnis haben.
"Ratten können in ihrem Gehirn eine Art Zeitreise in die Vergangenheit unternehmen."
Bei Experimenten zeigte sich, dass sich Ratten an verschiedene Düfte erinnern, die ihnen zuvor präsentiert wurden. Sogar die Reihenfolge von zwölf Düften konnten sie mit einer Trefferquote von 90 Prozent bestimmen. Das konnten bisher sonst nur wir Menschen, sagt Mario Ludwig.
Empathisch und viel Freude am Spielen
Auch das Vorurteil der "miesen Ratte" kann durch die Forschung nicht wirklich bestätigt werden. Bei Experimenten von Wissenschaftlern der Universität von Chicago wurde festgestellt, dass Ratten sogar Empathie für die Artgenossen, denen es schlechter geht, entwickeln können.
"Ratten besitzen durchaus so etwas wie Empathie und können tatsächlich auch so etwas wie Hilfsbereitschaft gegenüber Artgenossen entwickeln, denen es schlecht geht."
Bei Laborversuchen befreiten sie beispielsweise andere Ratten aus ihren Käfigen. Bei Plüschratten taten sie das nicht. Das war laut Mario Ludwig für die Forschenden ein klares Zeichen dafür, dass die Ratten das Leid ihrer Artgenossen nachvollziehen können.
Ratten können Verstecken spielen
Ihre Empathie zeigt sich auch daran, dass Ratten Spaß empfinden können. Forschende der Humboldt-Universität in Berlin beispielsweise spielten mit den Ratten Verstecken. Dafür wurde eine Ratte in eine Box mit ferngesteuertem Deckel gesetzt, ein Wissenschaftler versteckte sich und öffnete den Deckel. Daraufhin suchte die Ratte in allen Versteckmöglichkeiten.
"Ratten haben offensichtlich großen Spaß daran, mit Menschen Verstecken zu spielen."
Bei einer erfolgreichen Suche bekamen die Ratten statt einem Leckerli eine kleine Kitzeleinheit. Waren die Ratten mit Verstecken dran, wählten sie sogar sehr geschickt die undurchsichtigen und nicht die durchsichtigen Verstecke.
Der Beweis, dass die Ratten wirklich Spaß hatten: Sie quietschen und spielten sogar mit, ohne eine Belohnung zu bekommen.