Der Krieg in der Ukraine wütet weiter und Geld wird dringend gebraucht. Doch die USA stoppen Hilfen, auch die EU hat begrenzte Mittel. Wären da nicht eingefrorene russische Vermögenswerte. Marcus und Bo folgen einer Spur nach Brüssel... zu Euroclear.
Fangen wir vorne an: Euroclear ist ein Zentralverwahrer. Das klingt wie eine Bank, ist aber eher eine spezialisierte Infrastruktur, die sicherstellt, dass Wertpapiere nach einem Handel korrekt "geliefert" werden, Zahlungen dazu passen und die Papiere verwahrt werden. Zentralverwahrer sind so etwas wie die "Abwicklungs-Buchhaltung" der Wertpapierwelt. Privatanleger merken davon meistens nichts, weil Bank-Depots nur die Oberfläche sind.
Im Hintergrund liegen die Wertpapiere aber in großen Verwahrsystemen. Das erklärt Nishan Ledchumikantan Teamleiter für Kollateralmanagement und Clearing bei einer deutschen Bank.
“Der Handel ist das Versprechen. Post Trade ist das Einlösen dieses Versprechens.“
Bei Euroclear lagern mit rund 185 Milliarden Euro, ein Großteil der russischen Währungsreserven. Seit Beginn des Angriffskrieges sind diese Vermögenswerte eingefroren, aber nicht enteignet. Und das ist wichtig, denn Russland bleibt formal Eigentümer, kommt aber nicht mehr an das Geld heran.
Zinsen, die das russische Staatsvermögen in der EU abwirft, werden bereits für die Ukraine genutzt. Doch mit der schwindenden Unterstützung der USA und den auch begrenzten Mitteln der EU, braucht es frisches Geld.
Russisches Geld, europäisches Risiko
Der Vorschlag der EU: Statt das russische Vermögen direkt zu konfiszieren, sollen die eingefrorenen Gelder als Sicherheit für einen Kredit an die Ukraine dienen. Ein sogenannter "Reparationsloan".
Bei dieser Idee bleibt Russland formal Eigentümer – zahlt aber am Ende selbst, falls es jemals Reparationen leisten muss. Doch genau das sorgt für Widerstand. Vor allem Belgien warnt vor rechtlichen Folgen. Ein Passant vor dem Euroclear-Gebäude bringt seine Sorge drastisch auf den Punkt.
"If ever we are condemned to pay this back in court to Russia, Belgium is dead.“
Russlands Zentralbank hat inzwischen Klage gegen Euroclear eingereicht – vor einem Moskauer Gericht. Für den Juristen Patrick Heinemann ist das wenig mehr als Symbolpolitik.
"Die russische Justiz ist nicht unabhängig. Urteile sind in der Europäischen Union nicht vollstreckbar. Das ist erst mal nur eine große Show."
Der Streit um die Umwandlung der eingefrorenen russischen Gelder ist längst mehr als eine juristische Frage. Es geht für die Kritiker auch um das Vertrauen in Europas Finanzsystem. Dieser Fall könnte ein Präzedenzfall werden: Wenn staatliche Vermögenswerte politisch umgewidmet werden, könnten andere Länder ihr Geld abziehen.
Vertrauen in den Finanzplatz Europa
Jurist Patrick Heinemann widerspricht. Die russischen Reserven seien seit Jahren eingefroren – ohne dass es zu massiver Kapitalflucht gekommen sei. Zudem handele es sich um einen Sonderfall da Russland die Ukraine völkerrechtswidrig überfallen habe. Und vorgesehen sei keine Enteignung, sondern ein Austausch der Vermögensform.
“Statt des Bargelds werden EU-Schuldtitel hinterlegt, die dem Bargeld in der Qualität in nichts nachstehen.“
Russland bleibt Eigentümer, kommt aber nicht mehr an sein Geld. Genau darin sieht die EU den Hebel, um der Ukraine zu helfen, ohne formell zu enteignen. Belgien und Euroclear warnen vor den Folgen, die EU setzt auf Handlungsfähigkeit.
In dieser Folge What the Wirtschaft?! sprechen Marcus und Bo über die eingefrorenen russischen Vermögenswerte und darüber, warum plötzlich eine Firma im Mittelpunkt der Ukraine-Finanzierung steht, die kaum jemand kennt: Euroclear. Es geht vom "Back-End der Finanzmärkte" und der Frage, was Clearing eigentlich ist, bis zum EU-Plan eines "Reparationsloan". Zwischen Brüssel, Eschborn und Moskau wollen die beiden wissen: Wie viel Risiko steckt in dieser Idee und kann es knallen?
Habt ihr auch manchmal einen WTF-Moment, wenn es um Wirtschaft und Finanzen geht? Wir freuen uns über eure Themenvorschläge und Feedback an whatthewirtschaft@deutschlandfunknova.de.
- Kassenwart Euroclear - Was ist Clearing überhaupt?
- Ein Kredit für die Ukraine - Wie soll das gehen?
- Viele Meinungen und (k)eine Lösung - Welche Konsequenzen kann die Neuverteilung des Geldes haben?
- Fazit / Wahres für Bares
