Russland möchte ein autonomes Internet. Abgegrenzt vom Rest der Welt, soll Russland so geschützt werden vor digitalen Gefahren von außen. Das Vorhaben der russischen Regierung klingt nach Science-Fiction, ist aber ernst gemeint. Ein entsprechendes Gesetz ist in Moskau schon so gut wie durchgesetzt.

Es ist ein gigantisches Projekt: In Zukunft soll das Internet in Russland losgelöst werden vom Rest der Welt. Kritiker befürchten, dass Russland sein autonomes Internet zu einem Intranet ausbauen könne, ähnlich wie es in China der Fall ist, und hinter dem Vorwand der digitalen Sicherheit ein weiterer Versuch stecken könnte, Inhalte zu kontrollieren. Denn als Folge des Ausbaus sollen die Behörden auch Zugriff auf den Datenverkehr bekommen und so bestimmte Inhalte rausfiltern können.

"Der Kalte Krieg weht durch die Zeilen des Gesetzes"
Frank Aischmann, ARD-Korrespondent in Moskau

Die russische Regierung sagt dagegen: Wir brauchen ein Parallel-Internet, um uns auf den Ernstfall vorzubereiten – beispielsweise einen Hackerangriff. Nur ein Internet, das auf unabhängigen Infrastrukturen basiert, könne das digitale gesellschaftliche Leben weiter sicherstellen.

Ein Gesetz, viele Fragen offen

Aktuell existiert das Projekt nur in der Theorie. Zwar wird das Gesetz wahrscheinlich heute (16.04.19) verabschiedet, der Gesetzestext aber lässt viele Fragen offen. Die praktische Umsetzung ist noch nicht festgelegt. Es ist also noch unklar, wie genau gegen eine digitale Gefahr im Ernstfall vorgegangen werden soll. Zudem werden abstrakte Begrifflichkeiten verwendet, die noch klar definiert werden müssen. Der Gesetzestext spricht beispielsweise von technischen Mitteln zur Gefahrenabwehr, wobei nicht klar ist, was genau dahinter steckt. Außerdem bleibt unklar, was genau als digitale Gefahr wahrgenommen wird. Hier muss noch ein konkreter Katalog ausgearbeitet werden, der genaue Abläufe und Fälle definiert.

"Das Ganze klingt nach Science-Fiction, ist jetzt hier in einem trockenen Gesetzestext und weit davon entfernt tatsächlich in die Praxis umgesetzt zu werden.“
Frank Aischmann, ARD-Korrespondent in Moskau

Die Diskussion um das autonome Internet ist eine sehr technische und damit schwer greifbar. Das spiegelt sich auch in den Medien wieder: Obwohl es aktuell darum geht, das Gesetz zu verabschieden, ist es keine Top-Thema in der russischen Öffentlichkeit, sagt Russland-Korrespondent Frank Aischmann. Bei einer Demonstration in der Millionenstadt Moskau haben schätzungsweise 15.000 Leute gegen das Vorhaben der russischen Regierung protestiert. Frank Aischmann erklärt sich das so: Noch sei für viele Russen unklar, welche Folgen das neue Gesetz haben könnte.

Die technische Seite des unabhängigen Internets

Klar ist: Für ein unabhängiges Internet müssen neue digitale Infrastrukturen geschaffen werden, denn Russland soll vor allem unabhängig werden von ausländischen Servern. Die Kosten für den Ausbau liegen nach der zweiten Lesung des Gesetzes im 60 Milliarden Rubel-Bereich, das sind umgerechnet um die 800 Millionen Euro.

Für den Start des autonomen Internets ist der 01. November angepeilt. Wann sich Russland tatsächlich vom Internet abkoppeln kann, ist noch unklar. Und eine weitere Frage bleibt offen: Gibt es überhaupt die Absicht, Russland über das Internet anzugreifen?

Shownotes
Gesetzestext
Russland plant eigenes Internet
vom 16. April 2019
Moderatorin: 
Diane Hielscher
Gesprächspartner: 
Frank Aischmann, ARD-Korrespondent in Moskau