Er ist klein und schmal - die meisten Fußballer überragen ihn um ein, zwei Köpfe. Trotzdem kann sich Schiri Cüneyt Çakir gut Respekt verschaffen.
Aufgebrachte Spieler, die während eines Matches eine Entscheidung diskutieren wollen - mit viel Adrenalin in ihren Adern. Der klein gewachsene, türkische Schiedsrichte Cüneyt Çakir lässt sich von der Aufregung während eines Fußballspiels nicht beeindrucken.
Er bleibt ruhig, strahlt Autorität aus, agiert besonnen und mit wenigen Gesten. So gelingt es ihm oft, etwas mehr Ruhe reinzubringen. Die Spieler scheint seine entschlossene Art auch zu beeindrucken.
"Ich mag seine stoische Ruhe, den kannst du bestürmen, den kannst du bequatschen - der verzieht dann keine Miene und weicht auch nicht zurück. Der macht dann ein, zwei kurze Gesten und bringt den Spieler auf Distanz - ohne, dass es unnötig autoritär wirkt."
Alex Feuerherdt, Schiri-Ausbilder und Podcaster für "Collinas Erben" fand die Schiedsrichterleistung von Cüneyt Çakir beim WM-Halbfinale Kroatien gegen England (2:1) ganz gut, hat aber auch schon stärkere Einsätze von ihm gesehen.
Möglicherweise kann sich der türkische Schiri nicht so gut auf die Schiri-Vorgaben der Fifa einlassen, meint Alex Feuerherdt. Die Schiedsrichter haben von der Fifa die Anweisung bekommen, dass sie recht großzügig pfeifen sollen. Auch in kritischen Situationen - wie beispielsweise bei harten Zweikämpfen - lassen viele der Schiris bei dieser WM das Spiel einfach weiterlaufen. So auch Cakir im gestrigen Spiel. Und sie sind auch angehalten, auf die ein oder andere Gelbe Karte zu verzichten, wenn es sich rechtfertigen lässt.
Nicht jeder Schiri mag die Vorgaben
Viele finden die Anweisungen für die Schiris gut, weil so die Fußballmatches seltener unterbrochen werden. Aber nicht jeder Schiedsrichter fühlt sich mit dieser Leitlinie wohl und Cüneyt Çakir ist ein gutes Beispiel dafür, sagt Alex Feuerherdt.
"Jeder Schiedsrichter hat da so seine eigenen Präferenzen und die Fußballregeln lassen da auch genügend Ermessensspielraum."
Cüneyt Çakir setzt in der Regel eher seine eigenen, spielbezogenen Grenzen und pfeift lieber einmal mehr, wenn die Spielweise sehr körperbetont ist. Schiri-Ausbilder Alex Feuerherdt hat beim Schiri im Halbfinalspiel Kroatien-England ein wenig "die letzte Überzeugung" vermisst, wenn es mal härter zugegangen ist.
Foul-Regel: Gefährliches Spiel
Beim Ausgleichstor (1:1) durch den Kroaten Ivan Perišić war dessen Bein ziemlich hoch. Dagegen haben viele englischen Fans protestiert, weil das als "gefährliches Spiel" gewertet werden kann. Das bedeutet, dass es sich um eine Art Foul handelt, bei dem der Gegner nicht berührt wird. Und forderten deswegen die Annullierung des Ausgleichstreffers.
Bein zu hoch, Kopf zu tief
Der Schiri-Ausbilder hält Çakirs Entscheidung, das Spiel weiterlaufen zu lassen aber für die richtige, weil sein Gegenspieler Kyle Walker seinen Kopf in dieser Situation relativ weit unten hatte, was auch nicht erlaubt sei, weil man sich als Spieler auch nicht selbst gefährden darf. So hätten beide Gegner die Regeln strapaziert und die Verstöße sich dadurch ausgeglichen, wie Alex findet.
Außerdem sagt er, dass Perišić in dieser Situation schneller reagiert habe, und dass Alex Feuerherdt daher nicht den Eindruck hatte, dass das hohe Bein den englischen Spieler Walker eingeschränkt habe.
"Insgesamt war es kein unfaires Spiel - leidenschaftlich schon und hart auch, aber nicht unfair - und Çakir stand nicht wirklich im Mittelpunkt der Diskussion.
In manchen Situationen war der Schiri aber auch eher kleinlich. So traf zum Beispiel kurz nach Halbzeitpause der Kroate Ante Rebić den Engländer Kyle Walker beim Kopfballduell im Gesicht. Der Schiedsrichter pfiff daraufhin. Ein anderer Spieler, Mario Mandžukić, warf in der Folge wütend den Ball weg und erhielt für diese Aktion eine Gelbe Karte während Rebićs Foul nicht geahndet wurde. Das führte kurz zu Verwirrung. Allerdings hält Alex Feuerherdt es für sinnvoll, die Gelben Karten auf diese Art einzusetzen, wenn sie dafür sorgen, dass die Spieler sich weniger unsportlich verhalten.