Wer sich für eine Teilzeitstelle entscheidet, tut das meistens, um noch Zeit für andere Dinge zu haben – sei es für das Studium, die Familie oder ein persönliches Projekt. Oft enden Teilzeitstellen aber in Vollzeitstellen, ohne dafür mehr Gehalt zu bekommen.
Marie, die ihren richtigen Namen nicht nennen möchte, ist Englisch-Vertretungslehrerin an einer Gesamtschule – und das eigentlich mit einer 80-Prozent-Stelle. Doch am Ende der Woche ist die Bilanz für sie meist eine andere: "Ich würde schon sagen, dass ich 40 Stunden in der Woche arbeite", berichtet Marie. Bei Korrekturen sitze sie oft auch noch acht Stunden am Wochenende am Schreibtisch.
Für den Mehraufwand gibt es keinen Ausgleich – weder mehr Freizeit noch mehr Gehalt. Dass Marie dennoch mehr arbeitet als es in ihrem Vertrag steht, liegt vor allem daran, dass Lehrerin ihr absoluter Traumjob ist. Außerdem weiß sie: Wenn sie es nicht macht, haben Kollegen oder Kolleginnen mehr Arbeit.
"Wenn ich es nicht mache, dann hat jemand anderes die Mehrarbeit und alle sind - gerade durch Corona - am Limit. Ja, dann macht man es eben."
Marie wurde zudem im Bewerbungsgespräch damit überrumpelt, dass sie eine elfte Klasse übernehmen müsse, obwohl ihre Stelle eigentlich nur für tiefere Klassenstufen vorgesehen ist und dementsprechend auch nur bezahlt wird. Zugesagt hat sie trotzdem, sonst hätten vielleicht andere Bewerber oder Bewerberinnen den Job bekommen.
Und dann kommt immer noch dazu: In jedem Job gibt es eben einfach Aufgaben, die erledigt werden müssen – ganz gleich, ob man dafür bezahlt wird oder nicht.
Lernen, nein zu sagen
Den Druck, der Marie in ihrem Job in unterschiedlichen Situationen begegnet, kennt Business-Coach Jana Jeske sehr gut. Das sei ein wesentlicher Grund dafür, warum Menschen Vollzeit arbeiten, obwohl sie nur für eine Teilzeitstelle bezahlt werden. Häufig passiere das Mitarbeiten und Mitarbeiterinnen, die harmoniebedürftig sind, andere nicht vor den Kopf stoßen und es allen recht machen wollen.
Nicht Nein sagen zu können, führt also häufig dazu, dass sich Menschen mehr Arbeit aufhalsen, als sie in der begrenzten Zeit eigentlich schaffen könnten.
Probearbeiten kann einen guten Einblick geben
Von diesem Problem sind nicht nur Lehrerinnen und Lehrer betroffen, sondern die verschiedensten Berufszweige – von Bank- und Verwaltungsstellen bis hin zu Start-Up-Jobs. Vor allem bei jungen Unternehmen, wo alle überdurchschnittlich flexibel, agil und selbstbestimmt arbeiten wollen und oft sollen, führe das dazu, dass manchmal nicht ganz klar sei, wer welche Arbeit wann schaffen soll, sagt Jana Jeske.
"Dadurch, dass sie halt unglaublich flexibel und unglaublich agil und selbstorganisiert arbeiten, führt das auch dazu, dass manchmal gar nicht so klar ist, wer was denn alles zu wuppen hat."
Wenn alle nur gegen das Unternehmen wettern und erzählen, dass sie seit Monaten nichts auf die Reihe kriegen würden, sei das ein sicheres Alarmsignal.
Gespräch mit Vorgesetzten suchen
Steckt man allerdings schon mitten im Job, kann es oft helfen, das offene Gespräch mit den Vorgesetzten zu suchen und die Überforderung zu schildern, rät Jana Jeske. Beispielsweise so: "So geht es nicht. Wenn wir so weitermachen, werde ich irgendwann ausfallen. Da habt ihr dann auch nichts von. Es wäre super, wenn wir hier irgendwie in ein gesundes Arbeiten kommen, wo ich auch gute Qualität leisten kann, was auch für euch gut ist."
Helfen können auch konkrete Regeln und Absprachen mit den Vorgesetzten, aber auch mit Kolleginnen und Kollegen. Führt das alles nicht zu einer Verbesserung der Situation, dann könne nur noch ein Wechsel helfen – entweder auf eine Vollzeitstelle oder im Notfall auch in ein anderes Unternehmen.
Bei Marie hat es geklappt. Nach den Sommerferien wird sie Vollzeit-Lehrerin sein. Die Aussicht auf die neue Stelle motiviere sie ungemein, erzählt sie.
"Der Wechsel motiviert ungemein. Das merke ich jetzt schon, wie der Frust weniger wird, weil auch endlich mal das gesehen wird, dass Leute unterschiedlich viel arbeiten an Schulen."