Die polnische Regierung will eine Kommission einsetzen, um angeblich den Einfluss Russlands auf die Politik zu untersuchen. Doch Kritiker*innen sagen: Eigentlich soll damit die Opposition, konkret Oppositionsführer Donald Tusk, geschwächt werden.

Handel, gemeinsame Energieprojekte, direkte Kontakte zu Politiker*innen: Russland hatte jahrelang großen Einfluss auf EU-Länder wie Polen. Durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat sich das verändert.

Polens Präsident Andrzej Duda hat gerade ein Gesetz unterzeichnet, das eine Untersuchungskommission einführt, die sich ganz genau anschauen soll, wie Russland die polnische Politik beeinflusst hat und welche Entscheidungen in den letzten 15 Jahren getroffen wurden.

Vorwurf: Gezielte Schwächung der politischen Gegner

Das Problem: In dieser Zeit – von 2007 bis 2014 – war auch der jetzige Oppositionsführer Donald Tusk Regierungschef Polens und hat Verträge mit Russland abgeschlossen, zum Beispiel über Gaslieferungen. So wie das viele andere Regierungen getan haben – etwa die Bundesregierung unter Angela Merkel. "Wandel durch Handel" lautete damals die Devise, damit sich der politische Westen und Osten annähern.

"Die Opposition spricht von einem 'Lex Tusk' – also einem Gesetz, das nur auf die Person Tusk abzielt."
Aglaia Dane, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichten

Inzwischen werden viele dieser Entscheidungen in Bezug auf Russland allerdings in einem anderen Licht gesehen. Die nationalkonservative PiS-Regierung wirft Tusk vor, damals für Polen unvorteilhafte Verträge abgeschlossen zu haben.

Die Opposition spricht von einem "Lex Tusk": Präsident Duda habe die Parlamentswahlen im Herbst im Blick und wolle mit dem Gesetz vor allem seine Gegner schwächen. Er war 2015 – wegen seiner Wahl zum Präsidenten – zwar symbolisch aus der PiS ausgetreten, erweist sich allerdings dem Parteiprogramm gegenüber als treu.

Für nächsten Sonntag hat die Opposition in Warschau eine Demonstration angemeldet.

Kommission könnte Tusk Amtsverbot erteilen

Die umstrittene Kommission könnte gegen Politiker*innen Strafen verhängen und sogar ein Amtsverbot erteilen – und das ohne Gerichtsurteil und ohne Option auf ein Berufungsverfahren. Dafür würde es ausreichen, wenn die Kommission in ihrem Bericht zu dem Schluss kommt, dass die betroffene Person von Russland beeinflusst wurde und Entscheidungen getroffen hat, die Polen geschadet haben.

Konkret heißt das: Die Kommission könnte auch den ehemaligen Regierungschef und jetzigen Oppositionsführer Donald Tusk für politische Ämter sperren. Der könnte dann nicht erneut Ministerpräsident werden, auch bei einem Wahlsieg seiner liberalkonservativen Bürgerplattform PO im Herbst.

"Folgendes Szenario ist möglich: Tusk gewinnt im Herbst die Wahlen. Doch die Kommission sperrt ihn nur Wochen vorher für Ämter. Dann kann er nicht Ministerpräsident werden."
Aglaia Dane, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichten

Pikant: Die neun Kommissionsmitglieder werden von einer Kammer des polnischen Parlaments bestimmt, in dem die PiS-Partei die Mehrheit hat.

Die große Frage lautet also: Wie unabhängig wird diese Kommission tatsächlich agieren? Fakt ist: Die PiS hat in den letzten Jahren bereits mehrere Entscheidungen getroffen, um ihren Einfluss auf die Justiz zu stärken.

Einige polnische Journalist*innen haben bereits kommentiert, das neue Gesetz sei der Beginn einer Diktatur in Polen.

Shownotes
Umstrittenes Gesetz
Polens Regierung gegen Russland - und die Opposition
vom 30. Mai 2023
Moderation: 
Till Haase
Gesprächspartnerin: 
Aglaia Dane, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichten