Stress? Müde? Genervt? Auf Social Media liefern uns selbsternannte Expertinnen und Experten die vermeintliche Lösung: "Entgiften" mit Cortisol-Detox. Hilfreich ist das nicht. Unser Reporter rät ab – genauso wie von Cortisol-Tests aus der Apotheke.
Cortisol ist ein natürlich im Körper vorkommendes, lebenswichtiges Hormon und hat verschiedene Funktionen. Es sorgt dafür:
- dass der Blutzuckerspiegel steigt
- dass der Herzschlag hochgeht
- dass der Blutdruck steigt
So wird kurzfristig unser Immunsystem gestärkt und Entzündungen werden gehemmt. Zunächst sind diese Vorgänge gut für Menschen – auf Dauer können sie aber auch problematisch für den Körper werden. Und zwar dann, wenn zu viel oder zu wenig Cortisol produziert wird.
Cortisol ist nicht per se schlecht
Mit dem Cortisol-Detoxing wollen Influencer*innen bewirken, dass sich der Körper vom Cortisol "entgiftet". Das ist allerdings irreführend. Denn der Körper kann zum Beispiel auch im Zusammenhang mit Krankheiten einen erhöhten Cortisol-Spiegel aufweisen.
"Wenn ich zum Beispiel ein Krebsgeschwür an der Nebenniere habe – da wird das Cortisol gebildet – dann kann das dazu führen, dass der Cortisolspiegel dauerhaft erhöht ist."
Ein hoher Cortisol-Spiegel im Körper kann auch durch Stress ausgelöst werden – allerdings nicht durch den temporären Stress, den jede*r schon mal im Alltag hat, sondern durch intensiven, anhaltenden Dauerstress, erklärt der Mainzer Arzt Christian Wüster im ZDF.
Cortisol-Spiegel steigt, wenn wir Dauerstress haben
Wenn uns etwa ununterbrochen sehr belastende Gedanken beschäftigen, "dann ist der Cortisolspiegel endogen immer zu hoch und das ist krankhaft", so Wüster.
"Wenn wir immer daran denken müssen, dass ich meine Eltern versorgen muss und dass ich das eigentlich nicht mehr schaffe, immer in diesem Konflikt bin zwischen Gut und Böse."
Solche Gedanken und dadurch ausgelöste oder verstärkte körperliche Prozesse können negative Folgen haben und zu Schlafstörungen, Akne, Bluthochdruck oder Übergewicht führen.
Wichtig: Es handelt sich dabei um die Ausnahme.
Christian Wüster rät davon ab, dass wir uns Cortisol-Selbsttests kaufen. Den Wert per Speichel bestimmen – wie in den Tests aus der Apotheke – "ist wie würfeln", sagt er. "Wir Endokrinologen sagen immer, der Goldstandard ist die Cortisol-Bestimmung im Serum, im Morgenblut."
Ärzte helfen bei Unsicherheit
Wer seinen Cortisol-Spiegel wissen will, sollte sich also bei einem Arzt oder einer Ärztin Blut abnehmen lassen. Im Netz werden zwar Wundermittel wie Ashwagandha (Schlafbeere) gegen einen hohen Cortisol-Wert angepriesen – es gibt aber keine wissenschaftlichen Beweise dafür, dass das tatsächlich wirkt.
Ärzt*innen empfehlen stattdessen, dass wir uns entspannen und unseren Lebensstil ändern sollten. Klingt gut, aber klappt natürlich nicht bei jedem Menschen, hat unser Reporter von Befragten erfahren.
"Um wirklich zu entspannen, versuche ich, jegliche Einflüsse zu reduzieren."
Andere meinen, dass sie gar nicht so leicht abschalten können, wenn sie wach sind. Weil sie die Zeit – etwa mit Mitbewohnenden – nutzen möchten. Und weil die gemeinsame Zeit bedeute, "dass man nicht ins Handy schaut".
Deutschlandfunk-Nova-Reporter Martin Krinner findet, dass Sport, meditieren oder einfach mal runterkommen besser wirkt "als irgendwelche Mittel zu schlucken".
Gut zu wissen übrigens: Unser Körper baut das selbst aufgebaute Cortisol auch wieder ab – wir brauchen also keine Angst zu haben, es per Detox loswerden zu müssen.
