In Thüringen startet eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung. Sie kann erfolgreich sein, meint Politikwissenschaftlerin Svenja Krauss, wenn es im Parlament den "Willen zur Zusammenarbeit" gibt. Künftig werden wir uns noch öfter mit dieser Regierungsform arrangieren müssen, sagt sie.
Rot-Rot-Grün fehlen im thüringischen Landtag vier Stimmen für eine Mehrheit. Die Linke unter Ministerpräsident Bodo Ramelow ist darum auf die Unterstützung anderer Parteien angewiesen, wenn sie beispielsweise Gesetze verabschieden will.
Mit der CDU hat die Regierung eine Stabilitätsvereinbarung getroffen, um bei Landtagsentscheidungen zu nötigen Mehrheiten zu kommen. Manche betrachten das als eine Tolerierung der Regierung. Die CDU-Landtagsfraktion, die durch einen Beschluss des Bundesparteitags daran gebunden ist, nicht mit AfD und Linke zusammenzuarbeiten, sieht sich eher in der Rolle einer "konstruktiven Opposition".
"Die wichtigste Voraussetzung für eine funktionierende Minderheitsregierung ist, dass es im Parlament den Willen zur Zusammenarbeit gibt."
Das kann gut gehen, meint Politikwissenschaftlerin Svenja Krauss, wenn es im Parlament genügend Unterstützung gibt. "Wenn die Fronten total verhärtet sind und die Parteien gegeneinander arbeiten, dann können Minderheitsregierungen nur scheitern."
Vor allem gelte das, wenn sich die Regierung auf wechselnde Kooperationspartner im Parlament stützen muss und von keiner Partei fest unterstützt wird.
Deutschland hatte schon viele Minderheitsregierungen
In Deutschland hatten wir schon 31 Mal eine Minderheitsregierung, meist auf Landesebene. Allerdings waren nur sieben davon länger als ein Jahr im Amt, sagt Svenja Krauss.
Ein positives Beispiel sei die SPD-Minderheitsregierung in Sachsen-Anhalt, die acht Jahre lang im Amt war, nämlich von 1994 bis 2002.
Die meisten Minderheitsregierungen entstanden jedoch durch Krisen, so die Politikwissenschaftlerin - wurden also aus der Not heraus geboren, weil sich keine andere Regierungsmehrheit finden lies.
"Die meisten dieser Minderheitsregierungen sind durch Krisen entstanden."
Minderheitsregierungen können sogar effektiver sein als Mehrheitsregierungen, sagt Svenja Krauss, das zeigten Forschungen. Zum Beispiel setzen sie Wahlversprechen häufiger um.
Sie regten außerdem die parlamentarische Debatte an: "Weil die Parteien nämlich miteinander reden müssen." Gerade in Zeiten der Politikverdrossenheit könne das helfen.
Minderheitsregierungen können effektiv sein
In Schweden oder Dänemark sind Minderheitsregierungen schon lange Normalität. In der Geschichte Deutschlands war diese Form der Regierung dennoch stets die Ausnahme. Viele denken an die Weimarer Republik, wenn sie den Begriff hören.
Es gebe einfach einen Unterschied in der politischen Kultur der Länder, meint Svenja Krauss. Dort, wo es schon lange Minderheitsregierungen gibt, seien die Parteien offener, was Kompromisse angeht.
"Gerade die skandinavischen Länder sind an Minderheitsregierungen gewöhnt und können viel besser damit umgehen."
Hier in Deutschland müssten sich die Parteien umgewöhnen. In Zukunft werden wir wohl noch häufiger mit dem Phänomen zu tun haben, "zwangsläufig" meint Svenja Krauss, das zeigten die letzten Wahlergebnisse. Und das könnte auch für die Regierungsbildung auf Bundesebene gelten.