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Die Weltgesundheitsorganisation und die Amerikanische Vereinigung der Psychologen will Onlinespielsucht zu einer eigenen Krankheit erklären lassen. Eine Studie der Uni Cardiff legt jetzt aber nahe, dass das keine wirklich gute Idee ist.

Die groß angelegte empirische Studie sagt: Wenn du zu viel zockst, dann heißt das nicht, dass du süchtig nach dem eigentlichen Spiel bist, sondern dass du dich in anderen Bereichen deines Lebens unglücklich fühlst: im Job etwa oder in deiner Beziehung. Zum Beispiel weil dich dein Partner verlassen hat. Onlinespielsucht sei demzufolge keine Krankheit, sondern eine "Verschiebung", also eine Reaktion auf Probleme, die man woanders hat.

"Die britischen Forscher kommen zu dem Schluss, dass Online-Spielsucht wahrscheinlich gar keine eigenständige Krankheit ist."
Martina Schulte, Deutschlandfunk Nova

Das Studienergebnis, über das auch der New Scientist berichtet, ist gerade jetzt besonders spannend, eben weil die WHO und die American Psychological Association (APA) Onlinespielsucht als Krankheit definieren wollen.

Wann ist es eine Krankheit?

Was die APA oder die WHO als Krankheit definieren, wird oft weltweit Standard. Ein Beispiel: Die APA hatte mit der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) schon einmal ein Verhalten als Krankheit klassifiziert – und das, obwohl Wissenschaftler bis heute streiten, ob es ADHS überhaupt gibt.

"Für jeden, der zu viel zockt, ist es wichtig, ob das – so wie bisher – als 'Störung' klassifiziert wird oder ob es als 'Krankheit' definiert wird."
Martina Schulte, Deutschlandfunk Nova

Genau das macht die Studie der Uni Cardiff so brisant. Denn die Forscher haben ihre Versuchspersonen nach genau den Kriterien untersucht, die die APA aufgestellt hat. Die APA sagt: Onlinespielsucht ist dann eine Krankheit, wenn fünf von neun Kriterien erfüllt sind – unter anderem folgende:

  • ihr verbringt bedeutend mehr Zeit vor dem Rechner, als ihr euch eingestehen wollt
  • euer Job oder euer Studium ist in Gefahr
  • ihr zockt, weil ihr damit eure Ängste bekämpft
  • ihr leidet darunter, dass ihr viel zockt
  • ganz wichtig: diese Kriterien müssen über einen längeren Zeitraum so für euch gelten
"Nur verschwindend wenige der Versuchspersonen im Test der Uni Cardiff haben diese Kriterien erfüllt."
Martina Schulte, Deutschlandfunk Nova

Unter den Befragten waren über 2000 Studenten über 18, die regelmäßig zocken. In einem Fragebogen haben sie Angaben über ihre Gesundheit und ihren Lebenswandel gemacht. Auf die Spielsucht-Kriterien der APA bezogen kam heraus:

  • Am Anfang der Untersuchung erfüllten neun Test-Personen mindestens fünf Kriterien des APA-Katalogs
  • Ein halbes Jahr später erfüllte aber niemand mehr mindestens fünf Kriterien
"Weil es für die Definition als Krankheit wichtig ist, dass die Kriterien über einen längeren Zeitraum erfüllt sind, war das Ergebnis der Studie: Keiner war krank im Sinne der APA-Definition."
Martina Schulte, Deutschlandfunk Nova

Ob die Studie jetzt dazu führt, dass Online-Spielsucht weiterhin nicht als Krankheit definiert wird, lässt sich noch nicht abschätzen, sagt unsere Netzreporterin Martina Schulte. 

Weitere Untersuchungen nötig

Fest steht: Das Phänomen Online-Spielsucht muss noch weiter erforscht werden. Das sagt auch Daria Kuss, eine Cyber-Psychologin der Uni Nottingham, im New Scientist: Man dürfe die Ergebnisse, die über einen Fragebogen zustande kommen, nicht überbewerten. Denn gerade Süchtige seien beim Ausfüllen nicht besonders ehrlich.

Shownotes
Studie zur Online-Spielsucht
"Störung" oder "Krankheit"?
vom 27. Oktober 2017
Moderation: 
Till Haase
Gesprächspartnerin: 
Martina Schulte, Deutschlandfunk Nova