Ein neuer Fahrradschlauch ist schneller gekauft als geflickt. Umweltbewusst und nachhaltig zu leben und zu konsumieren, kostet Zeit. Hilft es also, wenn wir unser Leben entschleunigen? Ein Vortrag der Umweltpsychologin Sonja Geiger.
Gebrauchte Kleidung zu kaufen, ist besser für die Umwelt, als neue zu kaufen. Die Wäsche zum Trocknen auf die Leine zu hängen ist nachhaltiger, als sie in den Trockner zu stecken. Das Handy reparieren zu lassen ist besser, als sich gleich ein neues zu besorgen.
Dies sind alles Entscheidungen, die wir als Konsumenten und Konsumentinnen treffen können, um ein wenig dazu beizutragen, unsere Umwelt zu schonen und klimaverträglicher zu leben.
"Wenn Zeit immer knapper zur Verfügung steht, werden Dinge und Dienstleistungen attraktiver, die schneller zur Verfügung stehen und Dinge, die länger brauchen, werden unattraktiver."
Was bewegt uns dazu, das auch tatsächlich zu tun? Welche Faktoren beeinflussen Menschen, nachhaltiger und weniger zu konsumieren? Das ist die Frage, die Sonja Geiger in ihrem Vortrag stellt. Sie ist Umweltpsychologin und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich für Verbraucherforschung, Kommunikation und Ernährungssoziologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen.
"Wofür möchten die Menschen Zeit haben? Wofür ist unser Zeitwohlstand wichtig?"
Einen Aspekt hat Sonja Geiger dabei besonders untersucht: Zeit. Denn nachhaltiger Konsum kostet oft Zeit. Wenn wir also mehr Zeit haben, wird unser Konsum dann auch nachhaltiger?
Um diese Frage zu beantworten, hat sie mit ihrem Team des Forschungsprojekts ReZeitkon mehrere Studien gemacht. Zunächst einmal haben sie gefragt, was es überhaupt heißt, Zeit zu haben und zufrieden zu sein mit der Zeit, die uns zur Verfügung steht.
"Viele Menschen stehen früher auf, als sie gerne würden."
Zum "Zeitwohlstand", wie sie es nennt, gehört mehr, als einfach über viel Freizeit zu verfügen. Zum Beispiel spielt es eine große Rolle, wie frei wir über unsere Zeit verfügen können, ob wir zum Beispiel dann aufstehen, wann wir es möchten. Auch wenn wir unsere Zeit mit anderen abstimmen können, sind wir zufriedener. Also wenn wir zum Beispiel zur gleichen Zeit mit Freunden oder Familie feiern können.
"Die Leute, die eher weniger freie Zeit haben, sind die, die ein bisschen eher nachhaltig konsumieren."
Ihre Hypothese: Menschen, die unter weniger Zeitdruck stehen, die mehr Zeitwohlstand haben, konsumieren nachhaltiger.
Oft leben wir etwas nachhaltiger, wenn wir weniger Zeit haben
Doch das Ergebnis ihrer Untersuchungen hat sie selbst überrascht, empirisch ließ sich diese Annahme nicht bestätigen. Im Gegenteil: Menschen, die sich stärker unter Zeitdruck fühlen, konsumieren sogar ein klein wenig nachhaltiger als Menschen, die mehr Zeit haben.
"Das romantisierende Bild von Leuten, die viel Zeit haben und das in eine nachhaltige Lebensweise umsetzen, indem sie die Dinge langsam angehen, reparieren, sich auf Flohmärkten rumtreiben, das gilt so nicht."
Der Vortrag
Sonja Geigers Vortrag hat den Titel "Was tun mit unserer Zeit? Zeitwohlstand für nachhaltigen und suffizienten Konsum". Sie hat ihn am 15. November 2022 online gehalten im Rahmen der Vorlesungsreihe "Werkzeuge des Wandels – Kompetenzen für nachhaltiges Handeln". Organisiert hat diese Reihe das Institut für Geographie und Geologie der Universität Greifswald.