Oft haben Eltern eine klare Vorstellung davon, welche Ziele wir erreichen sollen. Bei Alice waren es Abitur und Studium. Das kann großen Druck erzeugen. Der Experte Michael Bordt weiß, wie es uns gelingen kann, damit umzugehen.

Alice Eltern erwarteten von ihr, nicht nur gut in der Schule zu sein, sondern immer Bestnoten mit nach Hause zu bringen. Deswegen hatte sie seit Beginn der Schulzeit Sorge, mit einer 'Zwei' nach Hause zu kommen. Insbesondere dann, wenn der Großteil der anderen Schüler eine 'Eins' im Test geschrieben hatte.

Enttäuscht waren ihre Eltern insbesondere dann, wenn es nicht so lief, wie sie es sich vorgestellt hatten, berichtet Alice. Oft stand dann die Frage ihrer Eltern im Raum, wieso sie nur eine gute Note, aber nicht die Bestnote erhalten hatte.

"Aber ich hatte schon besonders am Anfang meiner Schulzeit sehr große Angst, nach Hause zu kommen und eine schlechte Note zu haben, weil ich nicht wusste, wie meine Eltern reagieren."
Alice, Lehramts-Referendarin
Alice Ernst
© privat
Von Beginn an hatten die Eltern von Alice hohe Erwartungen an die schulischen Leistungen.

Ihre gesamte Schullaufbahn hat Alice unter einem gewissen Druck gestanden. Als sie dann durch die Abi-Prüfung fällt, ist es nicht nur für sie ein bedrückende Situation, sondern auch für alle anderen Familienmitglieder: die Eltern, die Großeltern und ihre Geschwister. Unter Tränen hat sie damals ihrer Mutter am Telefon erzählt, dass sie nicht bestanden hat. Ihre Mutter begann ebenfalls zu weinen. Zusammen haben sie dann überlegt, wie es weitergehen könne.

Den eigenen Lebensstandard weitergeben

Die hohen Erwartungen der Eltern hängen oft mit deren eigener Biografie zusammen. Die Eltern von Alice sind als Spätaussiedler aus Kasachstan nach Deutschland gekommen. Für sie damals ein fremdes Land, dessen Kultur, Schulsystem und Gepflogenheiten ihnen fremd waren.

Das, was sich ihre Eltern aufgebaut und den Lebensstandard, den sie erreicht haben, wollen sie auch an ihre Kinder weitergeben, sagt Alice. Deswegen sei es ihren Eltern wichtig, dass Alice nicht nur gute Leistungen, sondern die bestmöglichen mit nach Hause bringt.

"Aber es war nicht mal so, dass sie gesagt haben: 'Du hast etwas falsch gemacht.' Sie haben mir nicht die Verantwortung für das nicht bestandene Abitur gegeben und haben versucht, mich weiterhin zu motivieren."
Alice, Lehramts-Referendarin

Beim zweiten Anlauf hat Alice das Abitur geschafft, auch wenn der Druck noch höher war. Sie hat sogar einen guten Durchschnitt erreicht. Dann hat Alice ein Lehramtsstudium begonnen. Sie ist zweimal durch das Examen gefallen. Eigentlich hat sie nur zwei Versuche, um es zu bestehen.

Alice hatte Glück: Wegen der Coronapandemie hat sie einen weiteren Freiversuch bekommen. Beim dritten Mal hat sie das Lehramtsexamen bestanden und macht inzwischen ihr Referendariat.

Wenn der Druck durch Erwartungen unserer Eltern zu groß wird

Michael Bordt ist Professor für Philosophie und hat ein Buch mit dem Titel "Die Kunst, die Eltern zu enttäuschen - Vom Mut zum selbstbestimmten Leben" geschrieben.

Eltern haben oft große Erwartungen an ihre Kinder. Das könne daran liegen, dass sie sich stark für ihre Kinder eingesetzt oder sogar Dinge für sie aufgegeben haben, sagt Michael Brodt. Deswegen meinten manche Eltern auch, sie hätten ein Recht darauf, die Entscheidungen ihrer Kinder zu beeinflussen. Für den Philosophen steht aber außer Frage, dass Kinder ihren Eltern in dieser Hinsicht nichts schuldig sind.

Selbstbestimmt zu leben, kann uns glücklich machen

Michael Bordt berät Familienunternehmen, bei denen die Frage im Raum steht, ob die Kinder die Firma übernehmen werden oder nicht. Sein grundlegender Ansatz dabei ist, dass Menschen dann glücklich sind, wenn sie ein selbstbestimmtes Leben führen können.

Wenn ein gewisser Druck auf uns laste, dann sei es wichtig, dass wir uns das zunächst bewusst machen, sagt der Philosoph. Nachdem wir den Druck wahrgenommen haben, sollten wir uns die Frage stellen, ob wir diesem Druck überhaupt nachgeben wollen, sagt Michael Bordt.

Um sich über die eigenen Erwartungen und Ansprüche klar zu werden, helfe es daher, ins Gespräch miteinander zu kommen und diese Themen konkret anzusprechen, sagt der Philosoph. Wie solch ein Gespräch aussieht, kann sich im Einzelfall deutlich unterscheiden und hängt zum Beispiel damit zusammen, welche Beziehung wir zueinander haben.

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In diesem Beitrag enthaltene Kapitel:
  • Alice stand unter hohem Druck ihrer Eltern
  • Prof. Michael Bordt gibt Tipps, wie man seinen eigenen Weg findet
  • Ab 21
  • Moderation: Ivy Nortey
  • Gesprächspartnerin: Alice, Referendarin fürs Lehramt
  • Gesprächspartner: Michael Bordt, Institut für Philosophie und Leadership