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Nach Afghanistan abschieben: Seit dem Messerangriff in Mannheim diskutiert die deutsche Politik darüber. Doch die Taliban schränken die Menschenrechte dort stark ein, seit sie an der Macht sind. Wie sicher ist das Land? Und würden Abschiebungen dorthin überhaupt funktionieren?

Nach dem Messerangriff eines Afghanen in Mannheim fordert Kanzler Olaf Scholz (SPD): Straftäter sollen nach Afghanistan abgeschoben werden. Aktuell geschieht das nicht. Seit August 2021 sind Abschiebungen dorthin aufgrund der Sicherheitslage ausgesetzt. Kurze Zeit später übernahm die Taliban die Macht.

Bei Straftätern, die aus Afghanistan kommen, gibt es aber trotzdem Einzelfallentscheidungen über Abschiebungen, erklärt Deutschlandfunk-Hauptstadt-Korrespondentin Katharina Hamberger.

"Wenn die Strafe ein gewisses Maß erreicht hat, dann kann entschieden werden, dass das Ausweisungsinteresse über dem Schutzinteresse steht."
Katharina Hamberger über die Möglichkeit der Abschiebung

Das Verfahren bei ausländischen Straftätern: Zunächst werden sie in Deutschland nach deutschem Recht verurteilt. Sie treten hier ihre Strafe an. Nachdem ein Teil der Strafe verbüßt wurde, wird in der Regel entschieden, ob die Person in Deutschland bleiben darf. Abgeschoben wird, wenn das Ausweisungsinteresse des Landes über dem Schutzinteresse der Person steht, sagt Katharina Hamberger.

"In der Regel wird ein Abschiebeverbot verhängt."
Katharina Hamberger über Abschiebungen nach Afghanistan

Aktuell sind aber generell alle Abschiebungen, auch von Straftätern, nach Afghanistan ausgesetzt: In der Regel wird ein Abschiebeverbot erteilt. Im Einzelfall wird manchmal aber dennoch anders entschieden. Hierbei geht es individuell darum, ob einem Straftäter in Afghanistan eine Bedrohung für Leib und Leben drohen würde. Wenn das nicht der Fall ist, könnte eine Abschiebung durchgeführt werden.

Doch es bleiben praktische Probleme, erklärt Katharina Hamberger: Man müsste mit den Taliban zusammenarbeiten. "Das steht im Moment dem Ganzen noch entgegen", sagt sie.

Leben in Afghanistan

Aber wie ist das Leben in Afghanistan aktuell? Wie sicher fühlt sich die Lage vor Ort für die Bevölkerung an?

ARD-Afghanistan-Korrespondent Peter Hornung erklärt, dass es viele Faktoren gibt, die beeinflussen, wie sicher eine Person in Afghanistan lebt. Besonders Frauen haben es schwer, seit die Taliban wieder an der Macht sind. Sie haben nach und nach viele Rechte einbüßen müssen.

Peter Hornung sagt, dass er in ländlichen Regionen Afghanistans, Frauen, wenn überhaupt, dann mit einem Ganzkörperschleier, der Burka, sehen würde. In der Hauptstadt Kabul sei das anders, berichtet er. Dennoch kennt er auch Frauen aus Kabul, die flüchten mussten, weil sie weiterhin Mädchen in verdeckten Untergrundschulen unterrichteten.

"Vor ein paar Tagen hat sie mir eine WhatsApp geschickt und gesagt, ich musste weg - ich konnte nicht mehr weiterarbeiten, die sind hinter mir her."
Peter Hornung über eine junge Frau, die flüchten musste

Auch Männer, die sich schon gegen die Taliban geäußert haben, sind nicht sicher in Afghanistan. Peter Hornung hat Ali in einem Buchladen kennengelernt. Er ist der Übersetzer des islamkritischen Autors Salman Rushdie.

"Ali schrieb mir: 'Ich bin jetzt in den Iran, weil die hinter mir her waren, musste ich das Land verlassen.'"
Peter Hornung über den verfolgten Ali

Kurze Zeit später schreibt Ali ihm, dass er in den Iran flüchten musste, weil er wegen seiner Arbeit verfolgt wurde. Inzwischen hat es Ali in die USA geschafft, sagt Peter Hornung.

Insgesamt gibt es unterschiedliche Personengruppen, für die es in Afghanistan aktuell gefährlich ist, stellt Peter Hornung klar. Das sind neben Frauen auch beispielsweise die schiitische Hazara, eine Minderheit in Afghanistan. Und ebenfalls bedroht sind Angehörige von früheren Streitkräften, Journalist*innen, Frauenrechtler*innen und Bürgerrechtsaktivist*innen.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Abschiebedebatte
Wie sicher ist Afghanistan?
vom 06. Juni 2024
Moderatorin: 
Ilka Knigge
Experte: 
Peter Hornung, Afghanistan Korrespondent
Expertin: 
Katharina Hamberger, Hauptstadtstudio Berlin