Adil* ist Uigure und flieht 2016 mit seiner Familie vor den Repressionen der chinesischen Regierung in die Türkei. Er ist 16 Jahre alt und findet in der Schule keinen richtigen Anschluss – auch weil sein Türkisch noch nicht so gut ist. Bei einem Basketballspiel der uigurischen Community lernt er Mohamed kennen.

Mohamed und Adil verstehen sich auf Anhieb. Mit ihrem Young-Team haben sie zwar überhaupt keine Chance gegen die Erwachsenen-Mannschaft. Aber sie sind auf einer Wellenlänge und am Ende des Tages tauschen sie Nummern aus und fangen an zu schreiben. Sie mögen beide Slamdunk, eine Basketball-Anime-Serie, Marvel-Filme und die Band "Imagine Dragons". Die Freundschaft wird intensiver und Mohamed ist bald häufig bei Adil und seiner Familie zu Besuch. Adils Eltern behandeln ihn wie einen Sohn.

"Ich habe mir immer einen größeren Bruder gewünscht, mit dem ich reden kann. Und ich glaube, er war derjenige, nach dem ich gesucht habe."
Adil über Mohamed, der fünf Jahre älter ist

Eines Tages, als Adil von der Schule nach Hause kommt, checkt er Social Media auf seinem Handy. Da sieht er in einem Artikel ein Foto von Mohamed. Darüber steht: "Dieser Mann ist ein uigurischer Spion".

War die Freundschaft nur Fake?

Adil ist schockiert und hofft, dass das einfach nicht wahr ist. Er erfährt, dass Mohamed selbst zu einem Reporter gegangen sein soll. Die chinesische Regierung soll ihn unter Druck gesetzt und als Spion in die Türkei geschickt haben. Für Adil bricht eine Welt zusammen: Er glaubt Mohamed, dass er nicht freiwillig gespitzelt hat und fühlt sich trotzdem verraten.

"Mein einziger richtiger Freund hat uns betrogen. Aber er war auch einer der ersten, der offen darüber gesprochen hat, was die chinesische Regierung mit den Spionen macht."
Adil über seine zwiespältigen Gefühle gegenüber Mohamed

Adil vermisst Mohamed, kontaktiert ihn aber nie wieder. Nach vier Jahren in der Türkei fliehen Adil und seine Familie in die Niederlande, weil die Türkei immer wieder Uigur*innen nach China ausliefert. In den Niederlanden fängt er allmählich an, den Vertrauensbruch zu verarbeiten. Bei einem Storytelling-Wettbewerb in einem Kulturzentrum erzählt er davon. Unter den Zuschauer*innen ist auch Philine Kreuzer, die Autorin dieser Einhundert-Folge.

Die ganze Geschichte hört ihr hier, wenn ihr im Bild auf den Playbutton drückt – oder im Podcast

*der Name und einige Details in der Geschichte wurden zum Schutz des Protagonisten von der Redaktion geändert

Wir erzählen Eure Geschichten

Habt ihr etwas erlebt, was unbedingt erzählt werden sollte? Dann schreibt uns! Storys für die Einhundert sollten eine spannende Protagonistin oder einen spannenden Protagonisten, Wendepunkte sowie ein unvorhergesehenes Ende haben. Im besten Fall lernen wir dadurch etwas über uns und die Welt, in der wir leben.

Wir freuen uns über eure Mails an einhundert@deutschlandfunknova.de

Empfehlungen aus dem Beitrag:
  • Der Trailer zu Slamdunk, der Basketball-Anime-Serie, die Adil gerne guckt: https://www.youtube.com/watch?v=lp4IGdb5nPM
  • Das niederländische Parlament verurteilt die Behandlung der Uigur*innen durch China als "Genozid" (Politico vom 25.01.2021): https://www.politico.eu/article/dutch-parliament-declares-chinese-treatment-of-uighurs-as-genocide/
  • Durchsuchung in München - Ermittler jagen mutmaßliche chinesische Spione (Spiegel Online vom 24.11.2009): https://www.spiegel.de/politik/deutschland/durchsuchung-in-muenchen-ermittler-jagen-mutmassliche-chinesische-spione-a-662982.html
  • München: Bewährungsstrafe für chinesischen Spion (tz.de vom 23.09.2011): https://www.tz.de/muenchen/stadt/bewaehrungsstrafe-chinesischen-spion-zr-1417652.html