Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wird bei unliebsamen Themen gerne mal wortkarg. Wie seine Taktik funktioniert und was wir uns von ihm abschauen können, wenn wir selbst mal keine Lust haben, auf eine Frage zu antworten, erklärt der Politikwissenschaftler Moritz Kirchner.
"Es gibt auf jeden Fall Situationen, in denen Olaf Scholz nicht wirklich auf die Frage antwortet", sagt der Politikwissenschaftler Moritz Kirchner. Er arbeitet mit Politiker*innen und hilft ihnen. "Es ist allerdings nicht so, dass es in jedem Fall der Fall ist." Manchmal rede der Bundeskanzler so viel, dass wir seine Antwort gar nicht mitbekommen würden. Dieses rhetorische Mittel nenne man Redefinition, so Moritz Kirchner.
"Er hat Situationen, in denen er sehr lange mäandernde Antworten gibt, sodass tatsächlich die Antwort mittendrin ist, aber man das gar nicht so wahrnimmt."
Eine andere Taktik wende Olaf Scholz häufig an, wenn ihm Fragen potenziell unangenehm seien. Oft sei das der Fall bei sogenannten geschlossenen Fragen, also die bei denen ein klares Ja oder Nein problematisch sein könnte. "Da wendet er die 'Adlerstrategie' an. Das heißt, man geht raus aus dem Konkreten und geht ins Abstrakte", erklärt Moritz Kirchner. "Man spricht eher so prinzipiell, um sich gar nicht bei den konkreten Details angreifbar zu machen."
Scholz mache das, weil er wie andere Politiker*innen wisse, dass er sich bei einer derartigen Frage nur falsch positionieren könne, so der Politikwissenschaftler. "Mit einer Antwort kann er ja nur verlieren, weil es immer Leute gibt, die das anders sehen. Deswegen bleibt er im Ungefähren. Das heißt, da steckt durchaus eine gewisse politisch-rhetorische Rationalität drin."
Antworten wie Olaf Scholz – eine Anleitung
Doch auch wenn den meisten von uns wohl keine Karriere in der Politik bevorsteht: Wenn wir das wollen, können wir uns ein bisschen von Olaf Scholz abgucken und unangenehme Fragen auch mal unbeantwortet lassen. Das sind die Tipps von Politikwissenschaftler Moritz Kirchner:
1. Mit Framing arbeiten
In einem ersten Schritt sollten wir über etwas sprechen, dass zwar thematisch mit der Frage zu tun habe, aber keine klare Antwort auf ebendiese gebe, rät Moritz Kirchner. "Darin trainiere ich auch Politikerinnen und Politiker" verrät er. Das sogenannte politische Framing helfe uns dabei von der eigentlichen Frage abzulenken.
"Es geht darum die Fallstricke in der Frage erst mal zu erkennen, zu wissen, was genau umschifft werden muss und die Antwort dann immer mit den eigenen Themen zu prägen."
2. Zeit schinden
Moritz Kirchner empfiehlt, dass jeder von uns zehn bis fünfzehn Sätze parat hat, mit denen wir Zeit gewinnen können. "Es hilft wirklich zu sagen: 'Das ist eine gute Frage. Das ist eine schwierige Frage. Deine Frage bringt mich sehr ins Nachdenken.'", erklärt er.
"Denn wenn ich solche Sätze sage, gebe ich erst mal eine Resonanz. Die andere Seite fühlt sich abgeholt und verstanden", sagt der Politikwissenschaftler. "Gleichzeitig habe ich Zeit gewonnen, um mal ganz kurz zu überlegen, was ich darauf antworten werde. Das ist die sogenannte paradoxe Reaktion."