Im Frühjahr befürchteten Experten, dass die Coronavirus-Pandemie in Afrika zu einer Katastrophe führen würde. Die Pandemie hat sich entgegen der Erwartungen dort viel schwächer entwickelt als etwa in Europa oder Amerika und auch die Sterblichkeit liegt niedriger.
Gründe für eine stärker Ausbreitung der Coronavirus-Pandemie sahen Experten in den schwachen Gesundheitssystemen, engen Lebensverhältnissen, den Hygieneproblemen und der Armut in vielen afrikanischen Ländern.
Wie schnell und wie stark sich das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 ausbreitet, hängt unter anderem auch damit zusammen, wie schnell Maßnahmen (Soziale Distanz, Tragen von Masken) ergriffen werden, erklärt der Wissenschaftsjournalist Volkart Wildermuth. Simulationen der Washington Post zeigen besonders eindrücklich. Im Vergleich zu Europa haben die afrikanischen Staaten sehr schnell reagiert, sagt Volkart Wildermuth.
Erfahrung mit Epidemien
In vielen afrikanischen Staaten haben die Behörden Erfahrung im Umgang mit Epidemien wie Ebola. Deshalb gibt es längst Notfallpläne, die im Ernstfall zum Einsatz kommen. Als das neuartige Coronavirus den afrikanischen Kontinent erreicht hat, waren an vielen Grenzen Fiebermessgeräte verfügbar. Die Zentren für die Nachverfolgung von Kontakten wurden aktiv. Lockdowns und Kontaktsperren wurden schnell umgesetzt.
"In Mosambiks Hauptstadt Maputo fuhren keine Busse mehr, die Kontakte zwischen den Vierteln waren unterbunden."
Je nach Land haben die Lockdowns gut funktioniert: In Maputo, der Hauptstadt Mosambiks, fuhren keine Busse mehr. Die Kontakte zwischen den Vierteln wurden unterbunden. In Südafrika wurde kein Alkohol verkauft, dadurch kamen weniger Menschen zusammen, um zu feiern, aber auch die Zahl der Unfälle und Gewalttaten nahm ab, sagt Volkart Wildermuth.
Lockdowns konnten nicht überall umgesetzt werden
Gerade in den ärmeren Vierteln der afrikanischen Großstädte ist es schwierig, Abstand zu halten. Oft gibt es kein fließendes Wasser und die Leute müssen arbeiten, weil sie sonst hungern müssen. Aus diesen Gründen konnten die Lockdowns nicht überall komplett durchgesetzt werden.
Immunsystem und Demografie spielen zentrale Rolle
Die Dauerbelastung des Immunsystems spielt eine wichtige Rolle bei der Covid-19-Erkrankung. Viele Menschen in Afrika leiden unter parasitischen Würmern, die aktiv die Entzündungsreaktionen dämpfen. Solche Entzündungen sind eines der Hauptprobleme bei einer Covid-19-Erkrankung. Paradoxerweise können also solche Parasiten helfen, die Krankheit gut zu überstehen.
"Das Immunsystem spielt eine zentrale Rolle. Die ständigen Infektionen lassen das Immunsystem wachsam sein, das ist sozusagen ständig in Bereitschaft. Das könnte dazu beitragen, dass sich weniger Menschen anstecken."
Die Bevölkerungsstruktur in vielen afrikanischen Ländern ist ebenfalls ein Vorteil bei der Pandemie: Das Durchschnittsalter auf dem Kontinent liegt bei 19,7 Jahren. In der Europäischen Union liegt es bei 43,3 Jahren, also mehr als doppelt so hoch. Das Alter ist einer der Risikofaktor bei einer Covid-19-Erkrankung. Dieser gefährdete Personenkreis ist in Afrika wesentlich kleiner.
Antikörper-Studien: Viele Menschen haben die Infektion hinter sich
Zwischenzeitlich wurden mehrere große Antikörper-Studien durchgeführt, die gezeigt haben, dass viele Menschen die Infektion ohne Symptome durchgemacht haben.
In Mosambik haben Forschende festgestellt, dass eine von zehn Marktfrauen bereits Antikörper besitzt, genauso Menschen, die im Gesundheitssystem tätig sind. In der übrigen Bevölkerung lassen sich weniger Antikörper nachweisen. Das bedeutet, Sars-CoV-2 ist beispielsweise in Mosambik weiter verbreitet, als bisher angenommen wurden.
Gleichzeitig sind weder die Krankenhäuser überlaufen, noch die Sterbezahlen besonders hoch, sagt der Wissenschaftsjournalist.
Südafrika ist die Ausnahme auf dem afrikanischen Kontinent
In Südafrika hat sich SARS-CoV-2 stärker ausgebreitet: Rund 15.000 Menschen sind in der Republik an COVID-19 gestorben. Auf die Bevölkerung bezogen sind das zwar erheblich weniger Menschen als etwa in Spanien oder den USA, allerdings doppelt so viele wie in Deutschland.
Indirekte Todesfolgen
Von Ende Juni bis Ende August sind rund 33.000 mehr Menschen gestorben als im langjährigen Mittel. Das lässt sich nicht allein durch die Covid-Erkrankungen erklären. Infolge der Pandemie gibt es weniger Impfungen, Malarianetze, HIV- und TB-Medikamente. Auch der Hunger breitet sich wieder stärker aus und gefährdet vor allem Kinder, sagt Volkart Wildermuth.
Am Ende sterben die Menschen weniger an einer Covid-19-Erkrankung als an den indirekten Folgen des Virus, sagt der Wissenschaftsjournalist. Deshalb sei es ein gutes Zeichen, dass der Senegal gerade wieder seine Impfkampagnen aufgenommen habe.