Wie würdet ihr das finden, wenn euch jemand vor einem Flug wiegen würde? Die Fluglinie Air New Zealand macht das gerade. Aus Sicherheitsgründen, wie sie sagt. Das Ganze ist freiwillig und die Daten werden anonym erhoben.
Die Airline aus Neuseeland möchte wissen, ob die Passagiere in den letzten Jahren im Schnitt schwerer geworden sind. Dafür sollen innerhalb des nächsten Monats Daten von 10.000 Passagieren erhoben werden. Wichtig: Wer in ein Flugzeug der Airline steigt, hat nicht die Pflicht, mitzumachen. Außerdem kann niemand die Gewichtsanzeige sehen.
"Wir wissen, dass der Gang auf die Waage entmutigend sein kann. Wir möchten unseren Kunden versichern, dass es keine sichtbare Anzeige gibt. Keiner kann Ihr Gewicht sehen – nicht einmal wir! Es ist völlig anonym."
Der Pilot muss wissen, wie schwer das Flugzeug ist, das er fliegt, um damit den Kerosinverbrauch sowie die nötige Start- und Landestrecke zu berechnen.
Gewichtsverteilung und Schwerpunkt
Vor ein paar Jahren hatte die australische Airline Qantas mal 87 Schulkinder, die im hinteren Bereich des Flugzeugs saßen, versehentlich als Erwachsene eingebucht. Konsequenz: Das Abfluggewicht war plötzlich fünf Tonnen zu schwer kalkuliert – und damit die Gewichtsverteilung im Flugzeug und sein gesamter Schwerpunkt. Der Pilot hat zum Glück alles hingekriegt, aber das ist durchaus ein Risiko, das sich minimieren lässt.
Neben den Passagieren spielt natürlich das Gepäck eine große Rolle. Wir haben heute immer mehr schwere Gegenstände dabei, sagt Luftfahrtexperte Cord Schellenberg – neben dem großen Reisekoffer und dem Handgepäck außerdem manchmal noch ein bis zwei Laptops, Ladegeräte dafür, dazu Tablets im Handgepäck.
"Man muss das als Gesamtpaket sehen: Der Mensch, sein Handgepäck, seine Kleidung – all das führt zu einem Gewicht, was deutlich höher liegt als das, was ich als Mensch auf die Waage bringe."
In Neuseeland ist gerade Winter, die Menschen fliegen also mit mehr Klamotten in der Gegend herum. Deshalb ergibt es besonders viel Sinn, das gerade jetzt zu testen.
Airlines berechnen das Gewicht über Durchschnittswerte
Zur Beruhigung: Auch wenn Airlines das Gewicht ihrer Passagiere nicht in jedem Einzelfall wiegen, können wir uns entspannt in ein Flugzeug setzen, versichert Carola Scheffler vom Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft. Die durchschnittlichen Standardgewichte für Passagiere und Gepäck seien in Europa in einer Verordnung und auch in der jeweiligen Zulassung des entsprechenden Flugzeugs festgelegt.
"Die deutschen Airlines fliegen seit vielen Jahren und haben erfahrene Mitarbeiter und Systeme, die genau ausrechnen, dass das Flugzeug optimal beladen wird."
Laut Scheffler plane zur Zeit keine deutsche Airline ähnliche Gewichtsmessungen wie Air New Zealand. Trotzdem muss aus Sicherheitsgründen natürlich regelmäßig überprüft werden, ob sich das durchschnittliche Gewicht der Passagiere verändert hat.
Im Schnitt 84 Kilogramm
Dafür hat die Europäische Agentur für Flugsicherheit zuletzt 2021 das Gewicht der Flugreisenden an Flughäfen in Umfragen abgefragt. Ergebnis: Das Durchschnittsgewicht einer "erwachsenen Person" inklusive Handgepäck lag bei 84 Kilogramm. Wichtig: Bei dieser Berechnung zählen Personen ab 13 Jahren als Erwachsene.
Die Zahlen von 2021 entsprechen in etwa denen der letzten Befragung von 2008.
Risiko Umfrage: Falsche Gewichtsangaben möglich
Das Problem von Befragungen ist natürlich, dass Flugreisende vielleicht weder ihr korrektes Körpergewicht noch das korrekte Gewicht ihres Handgepäcks angeben. Vor allem beim Handgepäck neigen viele zu Untertreibung.
In den letzten Jahren sind auch immer mehr Airlines dazu übergegangen, dass man für Gepäck mitunter ziemlich ordentlich draufzahlen muss. Daher wird oft versucht, möglichst viel ins Handgepäck zu stopfen, um Geld zu sparen.
"Mit dieser Entscheidung ist auch verbunden, dass Passagiere sagen: Ich versuch‘s ins Handgepäck zu bringen. Auch deshalb immer wieder die Frage: Wie schwer wird denn nun das Handgepäck?"
Die Fluglinien dürfen sich am Ende aussuchen, wie sie das Gewicht der Passagiere samt Gepäck berechnen – ob sie den Schätzwert nehmen oder eigene Messungen durchführen. Rechtlich gesehen sind diese Messungen erlaubt.