Nachdem Influencerin Cathy Hummels ein Retreat als hilfreich bei psychischen Erkrankungen beworben hat, ist die Kritik groß. Mit der Aktion hat die Influencerin der Aufklärung über psychische Erkrankungen eher geschadet, findet Aktivistin Sophia Sailer.

Mit Yoga, gutem Essen und Sonne wollte Influencerin Cathy Hummels auf psychische Erkrankungen wie Depressionen aufmerksam machen. Dafür hat sie mehrere bekannte deutsche Influencer*innen zu einem Wellnessevent auf Rhodos eingeladen.

Auf Instagram hat sie im Anschluss Bilder und Videos von sich und den anderen Teilnehmer*innen gepostet, die sie unter anderem vor einer Werbewand gezeigt haben. Und auch andere Beiträge über das Event waren durch Produktplatzierung unterstützt. Seitdem erhält die Influencerin viel Kritik. Der Vorwurf: Das Event erwecke den Eindruck, psychische Erkrankungen würden für Werbezwecke benutzt.

Deutschlandfunk-Nova-Moderatorin Anke van de Weyer spricht mit Aktivistin Sophia Sailer über das Event und die aktuelle Kritik. Sophia Sailer setzt sich auf ihrem Instagram-Account "Die Millennial" unter anderem für mentale Gesundheit ein.

"Im ersten Moment war ich ziemlich wütend"

Anke van de Weyer: Sophia, Cathy Hummels suggeriert mit ihrem Retreat, dass ein Urlaub mit Yoga und gutem Essen gegen psychische Krankheiten wie Depressionen oder Angststörungen helfen könne. Wie bewertest du das?

Sophia Sailer: Im ersten Moment war ich ziemlich wütend, weil sich superviele Menschen den Arsch aufreißen, um für mehr Aufklärung zu sorgen. Dann kommt jemand mit einer riesigen Reichweite und erzählt etwas, was für mich total schräg klang, weil es ernst zu nehmende Krankheiten sind, die auch eine entsprechend ernst zu nehmende Behandlung erfordern.

Die eben nicht dadurch geheilt werden, dass man zwei Mal am Tag meditiert und sich am Ende ganz doll selbst liebt.

Voll. Ich finde auch: Menschen, die zum Beispiel Depressionen haben, müssen sich in ihrem Job immer noch dafür rechtfertigen, dass es eine Krankheit ist und sie nicht einfach faul sind und Bock haben, zu Hause zu chillen. Sondern es wirklich eine Krankheit wie jede andere ist, bei der man sich eben nicht einfach sagt "Ich liebe mich jetzt mal ein bisschen mehr selbst" und dann ist es wieder gut. Sondern man hat wirklich einen Grund, zu Hause zu bleiben und muss auch Maßnahmen unternehmen.

Glaubst du denn, dass die Gefahr besteht, dass Fans von Cathy Hummels oder von den anderen Teilnehmer*innen glauben, dass man Depressionen mit Selbstliebe und einem Retreat heilen kann?

Cathy Hummels war ja auch selbst betroffen, deswegen kann ich mir das fast nicht vorstellen. Es stimmt natürlich, dass man sagt, Zeit für sich, Erholung und Licht können Faktoren sein, die einem helfen, wenn man zum Beispiel depressiv ist. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass die Leute wirklich dahinter stehen, dass das als einzige Behandlungsmaßnahme ausreichend ist.

Kritisch sehen viele Menschen auch, dass Cathy Hummels viele Produktplatzierungen eingebaut hat. Zu ihrer Verteidigung muss man sagen: Cathy Hummels ist nicht die Einzige, die mit mentaler Gesundheit Werbung macht. Wie siehst du es allgemein, wenn mit Mental-Health-Tipps Werbung gemacht wird?

In dem Fall fand ich es schon schräg. Insgesamt finde ich, ist es im Kapitalismus nicht überraschend, dass damit geworben wird. Das wird schon superviel gemacht. Es gibt auch Apps, die verscherbelt werden, mit denen man sich selbst heilen soll. Es ist nichts Neues. Aber es ist natürlich trotzdem komisch.

Ich finde auch, dass Nuancen wirklich einen Unterschied machen können. Ich finde, es ist etwas anderes, wenn mir jemand ein Produkt verkauft und sagt, das kann eventuell helfen neben dem, dem und dem. Es gibt aber keine Gewinngarantie. So plump, wie es bei dem Retreat war, finde ich es schon komisch.

Cathy Hummels hat gestern einen Post auf ihrem Instagram-Account veröffentlicht, in dem sie geschrieben hat, dass die Kommunikation dessen, was sie eigentlich wollte "nicht immer gelungen ist." Sie hat – zumindest teilweise – eingeräumt, dass man beim nächsten Mal etwas anders machen könnte.

Wie ginge es denn deiner Meinung nach besser?

Es gab zum Beispiel dieses Reel: Da haben viele gesagt "Ich leide an Depressionen", eine andere hat Angststörung genannt. In dem Reel wurde aber auch so etwas wie Selbstzweifel und kein hohes Selbstbewusstsein genannt. Wenn jemand diese Sachen in einen Inhalt packt, suggeriert es, dass es das Gleiche ist. Eine psychische Erkrankung ist aber nicht "nicht so ein tolles Selbstbewusstsein" haben, sondern es ist eine Krankheit. Da wäre mein erster riesiger Kritikpunkt: Wenn man Aufklärung machen will, dann bitte auch so, dass es wirklich Aufklärung ist und nicht total verharmlosend.

Ich als Betroffene habe mich schon ein bisschen auf den Schlips getreten gefühlt und verstehe es auch, wenn man angepisst war. Das wären zum Beispiel so Kritikpunkte.

Dass psychische Erkrankungen eben auch als das dargestellt werden, was sie sind.

Genau. So etwas als Aufklärung zu verkaufen, finde ich ein bisschen faul. Es war keine Aufklärung. Es hat mehr geschadet, als dass es irgendwie für Aufklärung gesorgt hat, fand ich.

Danke für das Gespräch.

Shownotes
Sophia Sailer über Event von Cathy Hummels
Aktivistin: "So etwas als Aufklärung zu verkaufen, finde ich faul"
vom 14. November 2022
Moderatorin: 
Anke van de Weyer
Gesprächspartnerin: 
Sophia Sailer, setzt sich für die Aufklärung über psychische Erkrankungen ein