Durch die Pille werden wir noch alle depressiv? Hormonelle Verhütung hat einen schlechten Ruf. Bei den Nebenwirkungen wird bisweilen übertrieben. Eine neue Untersuchung bringt ein bisschen Klarheit in die Sache.
Die Antibabypille gilt seit Jahrzehnten als sicherstes Verhütungsmittel. Früher haben mal mehr als zwei Drittel der Frauen unter 30 Jahren die Pille genommen, heute sind es weniger als die Hälfte der Frauen in dieser Altersgruppe.
Im öffentlichen Diskurs – insbesondere auf Social Media – werden die potentiellen und tatsächlichen Nebenwirkungen der Pille stärker diskutiert als früher, vor allem die psychischen. Von Stimmungsschwankungen bis hin zur Depression oder auch vom Verlust der Libido ist dabei etwa die Rede.
"Es ist eben nicht so, wie es in den Sozialen Medien oft verbreitet wird, dass die Pille quasi bei allen Frauen schlimme Nebenwirkungen hat."
Ein Forschungsteam aus Tübingen, Düsseldorf und Uppsala hat sich speziell die psychischen Effekte der Antibabypille genauer angesehen. Sie ist besser als ihr Ruf, fasst Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Anneke Meyer die Ergebnisse zusammen. Die Pille bringt demnach nicht für beinahe allen Frauen, die sie einnehmen, schlimme Nebenwirkungen mit sich.
So wirkt die Antibaby-Pille
Die Pille wirkt im Gehirn, dort wo der Menstruationszyklus gesteuert wird. So sollen Frauen nicht schwanger werden können. Aber die Pille hat eben auch andere Effekte. Und inzwischen weiß man auch ganz gut, wo im Gehirn die Hormone außerdem noch wirken können.
Und zwar im Frontalhirn und dem limbischen System, erklärt die Forscherin Ann-Christin Kimmig von der Abteilung Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Tübingen, die an der Studie beteiligt war. Das sind Strukturen, die sehr in der Verarbeitung von emotionalen Reizen, von sozialen Interaktionen involviert sind, erklärt sie.
"Wenn sich dort die Funktion verändert, könnte das auch Nebenwirkungen haben, die man gar nicht so auf dem Schirm hat: auf Sozialverhalten, mentale Gesundheit, wie man sich fühlt."
Für ihre Untersuchung haben die Forschenden bei vier verschiedenen Gruppen von Frauen zweifach die Hirnaktivität gemessen:
- Frauen, die die Pille schon länger nehmen
- Frauen, die keine hormonelle Verhütung benutzen
- Frauen, die mit der Einnahme der Pille beginnen
- Frauen, die die Pille absetzen
Bei jeder Untersuchung wurden außerdem depressive Symptome durch Fragebögen erfasst und der Hormonspiegel im Blut gemessen.
Die Antibaby-Pille macht nicht grundsätzlich depressiv
Das Ergebnis: Die Pille macht nicht grundsätzlich depressiv. Frauen, die die Pille genommen haben und das auch weiter tun wollten, hatten auch keine erhöhten depressiven Symptome.
Allerdings: Frauen aus der Gruppe, die die Pille absetzen wollte, hatten während der Einnahme tatsächlich mehr depressive Symptome. Nach dem Absetzen hat sich ihre Stimmung aber normalisiert.
Den Unterschied zwischen beiden Gruppen konnten die Messungen der Hirnaktivität nicht erklären. Die Forschenden haben sich die sogenannte Netzwerkaktivität angeschaut. Sie zeigt an, wie eng verschiedene Bereiche des Gehirns zusammenarbeiten.
Kein systematischer Zusammenhang zwischen Hirnveränderungen durch Pille und Depressivität
Hirnbereiche, die soziale Informationen verarbeiten, verändert sich, wenn man die Pille nimmt. Einen systematischen Zusammenhang zwischen einer bestimmten Veränderung und Depressivität konnten die Forschenden nicht herstellen, erklärt Anneke Meyer.
Ann-Christin Kimmig hat die Untersuchung geleitet. Sie findet es wichtig, über Nebenwirkungen aufzuklären. Es sei auch wichtig, dass Frauen, die unter den Nebenwirkungen der Pille leiden und diese nicht tolerieren möchten, auf andere Verhütungsoptionen zurückgreifen können. Sie möchte aber nicht, dass deswegen die Rolle der Pille heruntergespielt wird, die sie für viele Frauen haben kann.
"Die Pille ist ein Medikament. Sie hat Nebenwirkungen. Aber sie ist weder böse noch heilig."
Grundsätzlich ist die Pille ist eben auch ein sehr sicheres Verhütungsmittel. Manchen Frauen hilft die Pille sogar dabei, Stimmungsschwankungen zu regulieren, die sie im Zusammenhang mit ihrer normalen Periode haben. Es gilt also, persönlich Nutzen und die Risiken abzuwägen.