Schrumpfende Wirtschaftsleistung und sinkende Industrieproduktion: Beide Faktoren bremsen den Arbeitsmarkt in Deutschland aus. Warum das trotzdem zum Fachkräftemangel passt, erklärt der Wirtschaftsjournalist Nicolas Lieven.
Auf dem deutschen Arbeitsmarkt zeichnet sich 2025 nur eine schwache Herbstbelebung ab. Doch die Zahl der Arbeitslosen sank im September wieder unter drei Millionen. Eine Schwelle, die im August erstmals seit mehr als zehn Jahren überschritten wurde.
Eher schlechte Zahlen vom Arbeitsmarkt und Fachkräftemangel passen deswegen zusammen, weil diejenigen, die arbeitslos werden, nicht unmittelbar vom Fließband in Dienstleistungsberufe wechseln können, sagt der Wirtschaftsjournalist Nicolas Lieven. Das betreffe insbesondere ältere Arbeitnehmende.
"Was wir wirklich brauchen, ist Wachstum. Man sagt, so um die zwei Prozent Wachstum ist gut, dann werden wieder Jobs geschaffen."
Denn ganz entscheidend hänge der Arbeitsmarkt mit der industriellen Produktion zusammen. "Wir haben acht Millionen Beschäftigte in dem Bereich, und wir sehen, dass China zum Beispiel nicht mehr Absatzmarkt ist, sondern Konkurrent", erklärt Nicolas Lieven.
Maschinenbau und Industrie
Er nennt insbesondere den Bereich Maschinenbau und sagt: "Wir haben früher die halbe Welt mit Produktionsmaschinen versorgt. Heute kommen fast hundert Prozent fast alle Maschinen im Bereich Batteriezellenfertigung aus China." So gerate die gesamte Wirtschaft Deutschlands in Schieflage.
"Das größte Thema im Augenblick ist, dass unser Geschäftsmodell kippt. Wir sind eigentlich ein Industriestandort."
Zwei wesentliche Tendenzen schlagen deutlich auf den Arbeitsmarkt durch, sagt der Wirtschaftsjournalist:
- die schwächelnde allgemeine Wirtschaftsleistung
- Sparbemühungen bei Unternehmen
Die Arbeitslosenquote sank im September um 0,1 Prozentpunkte auf 6,3 Prozent. Das teilte die Bundesagentur für Arbeit am 30.09.2025 mit. Die Zahl der Arbeitslosen verringerte sich demnach um 70.000 auf 2,955 Millionen. Bereinigt um jahreszeitliche Einflüsse liegt sie damit jedoch um 14.000 höher als im Vormonat. Verglichen mit September 2024 waren 148.000 Menschen mehr arbeitslos.
"Wahrscheinlich haben wir das dritte Jahr jetzt, das richtig, richtig schlecht läuft."
Das Risiko, durch den Verlust der Beschäftigung arbeitslos zu werden, sei zwar vergleichsweise niedrig, nehme aber stetig zu, heißt es im aktuellen Monatsbericht der Bundesagentur. Gleichzeitig lägen die Chancen, Arbeitslosigkeit durch Aufnahme einer Beschäftigung zu beenden, auf einem historisch niedrigen Niveau. Die Arbeitgeber seien nach wie vor zurückhaltend bei der Meldung neuer Stellen.
Ein Sonderbereich ist allerdings momentan die Rüstungsindustrie. Sie bietet für viele, die im Bereich Automobil ihre Jobs verloren haben oder auch bei Autozulieferern ein neues Betätigungsfeld, sagt der Wirtschaftsjournalist.
Migration als Auftrag
Erschwerend kommt hinzu: "Diese ganze Debatte um AfD und um Rechtsruck und so weiter. Das macht es natürlich nicht einfacher, Leute hier anzuwerben und für Deutschland zu gewinnen", sagt Nicolas Lieven.
"Es gibt überhaupt gar keine Frage, dass wir Leute brauchen von außerhalb und dass wir Leute mit Migrationshintergrund brauchen."
Im Jahresvergleich sank die Zahl der bei der Bundesagentur gemeldeten offenen Arbeitsstellen um 66.000 auf 630.000. Der Stellenindex, der die Nachfrage nach Personal in Deutschland abbildet, blieb im September unverändert bei 98 Punkten. Im Vergleich zum Vorjahresmonat fällt der Indikator damit neun Punkte geringer aus – das Allzeithoch vom Mai 2022 wird nach Angaben der Bundesagentur gar um 40 Punkte unterschritten.
"Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung hat gesagt, bis 2035 fehlen uns 3,5 Millionen Fachkräfte."
Dennoch, der Fachkräftemangel ist absehbar, sagt Nicolas Lieven und weiter: "Gerade für die jüngeren Leute ist das eine gute Perspektive." Wer auf der Suche ist, dem empfiehlt er zumindest einen Blick in die jährliche Analyse der Engpassberufe der Bundesagentur für Arbeit.
Weil allerdings Wirtschaftszyklen stets wellenförmig verlaufen, ist der Wirtschaftsjournalist bei der Zukunftssicherheit von Vorhersagen für den Arbeitsmarkt grundsätzlich skeptisch.
