• Deutschlandfunk App
  • ARD Audiothek
  • Spotify
  • Apple Podcasts
  • Abonnieren

Donald Trump bekommt seinen Deal – und europäische, also auch deutsche Betriebe zahlen drauf. 15 Prozent Zoll auf EU-Waren heißt für Winzer Johannes: Sein Wein wird sehr viel teurer. Was bedeutet das für Jobs und Unternehmen in Deutschland?

Riesling, Spätburgunder oder Silvaner: Wein aus Deutschland steht nicht nur hierzulande im Supermarktregal und auf Getränkekarten, er kommt auch im Ausland gut an. Insgesamt gehen rund elf Prozent einer deutschen Durchschnittsernte in über 100 Länder weltweit.

Das wichtigste Exportland: die Vereinigten Staaten. Deshalb haben deutsche Winzer den Zollstreit zwischen den USA und der EU ganz genau beobachtet. Die Einigung, die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Donald Trump auf dessen Golfplatz in Schottland verkündeten, lautete: 15 Prozent Einfuhrzölle für die meisten Produkte aus der EU. Ursprünglich hatte Trump sogar mit 30 Prozent gedroht.

"Die EU hat sich meiner Meinung nach unter Wert verkauft."
Johannes Selbach, Winzer

Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz ist damit nicht zufrieden, erklärte er. "Das heißt jetzt im Klartext: Die deutsche Wirtschaft wird erheblichen Schaden nehmen durch diese Zölle." Doch was heißt das genau? Was befürchten diejenigen, die auch vom Export leben?

Winzer Johannes Selbach hat die Zoll-Einigung irritiert. "Ich habe gedacht, das darf nicht wahr sein", sagt er. "Weil die EU sich meiner Meinung nach unter Wert verkauft hat."

USA sind wichtigster Exportmarkt für deutsche Winzer

Seit 13 Generationen baut seine Familie Riesling in den Steillagen der Mittelmosel an. Die USA sind für ihn und viele andere Winzer der wichtigste Exportmarkt. Rund 13 Millionen Liter deutscher Wein gehen jedes Jahr in die Vereinigten Staaten. Doch nun werden wohl 15 Prozent Einfuhrzoll dafür fällig.

Deutscher Wein mit Dollar-Preisschild in einem Regal
© picture alliance/dpa | Thomas Müller
Vor allem geschmacksintensivere, alkoholärmere deutsche Weine werden in den USA gerne getrunken, sagt Winzer Johannes Selbach.

Für den Winzer ist das eine schlechte Einigung: "Ein, zwei Dollar kann man noch wegstecken – aber wenn es fünf, sechs, sieben, acht werden, dann wird es sehr, sehr bitter."

Deutscher Wein wird in den USA wohl deutlich teurer

Denn das US-amerikanische "Three-Tier-System" macht den Export noch schwieriger: Der Direktverkauf vom exportierenden Weingut zum Verbraucher ist verboten. Stattdessen durchläuft jede Flasche mehrere Handelsstufen – und wird bei jeder teurer.

Dazu kommt, dass der Dollar seit Februar deutlich an Wert verloren hat. Auch Lager- und Frachtkosten sind gestiegen. Zusammengerechnet macht das laut Selbach rund 32 Prozent Mehrkosten.

"Dass unsere Kommissionspräsidentin im Golfhotel zwischen Loch 9 und 10 mal eben eine Audienz beim Sonnenkönig bekommt – das finde ich schon echt schwierig."
Nicolas Lieven, Wirtschaftsjournalist

"Wenn die neue Einigung greift, werden unsere Weine sehr viel teurer. Dann ist der Preis so hoch, dass viele Verbraucher weniger trinken oder gar nichts mehr kaufen", befürchtet er. Eine Flasche Kabinett, die jetzt knapp unter 20 Dollar kostet, würde laut dem Winzer dann mindestens zehn Dollar mehr kosten.

Wirtschaftsjournalist Nicolas Lieven bewertet sehr kritisch, wie der Deal überhaupt zustande gekommen ist: "Dass unsere Kommissionspräsidentin im Golfhotel zwischen Loch 9 und 10 mal eben eine Audienz beim Sonnenkönig bekommt – das finde ich schon echt schwierig."

Die EU kann mit dem Zolldeal nicht zufrieden sein

Trump hatte ursprünglich mit Zöllen von bis zu 30 Prozent gedroht. Jetzt sind es "nur" 15 Prozent – aber auch das reicht, um die wirtschaftlichen Folgen spürbar zu machen. Besonders betroffen: Autoindustrie, Maschinenbau, Chemie- und Pharmaindustrie.

Nivolas Lieven findet: Die EU kann damit nicht zufrieden sein. Denn obwohl die angekündigten 30 Prozent nicht eingetreten sind, waren die Zölle vor Trumps Präsidentschaft sehr viel geringer – durchschnittlich lagen sie bei einem bis anderthalb Prozent.

Der Mittelstand verliert im Wettbewerb gegen US-Konkurrenz

Irgendjemand muss die Zölle bezahlen. Entweder Hersteller, Importeure – oder eben die Verbraucher*innen. "Wenn Hersteller wie VW die Zölle teilweise selbst schultern, schmilzt ihre ohnehin schon knappe Gewinnspanne", erläutert Nicolas Lieven. "Und kleinere Mittelständler verlieren im Wettbewerb gegen US-Konkurrenten."

Auch die Zahl der Arbeitsplätze steht auf dem Spiel: "Hinter jedem Job in der Industrie hängen viele weitere – Dienstleister, Handwerker, Einzelhandel. Der Mittelstand spricht schon jetzt von einer drohenden Insolvenzwelle."

Klimaziele einhalten und fossile Energie kaufen?

Der Deal umfasst noch mehr als Zölle: Die EU verpflichtet sich, binnen drei Jahren fossile Energieträger im Wert von 750 Milliarden US-Dollar aus den USA zu importieren – Flüssiggas, Kohle, Erdöl.

Wenn private Unternehmen zu von den USA diktierten Preisen kaufen sollen, ist das nicht marktwirtschaftlich gedacht, sagt Nicolas Lieven. Außerdem: "Wenn das wirklich so kommen sollte, können wir unsere Klimaziele zu den Akten legen", warnt er.

"Wir haben uns komplett erpressbar gemacht – und Trump wird das ausnutzen."
Nicolas Lieven, Wirtschaftsjournalist

Positiv sei, dass die Nato mit Blick auf den Krieg gegen die Ukraine nicht auseinanderfalle. Aber sonst fällt es dem Wirtschaftsjournalisten schwer, lobende Worte für die Einigung zu finden.

Profitieren werden vor allem Rüstungs- und Energiekonzerne und Frackingfirmen in den USA sowie einzelne EU-Unternehmen wie Airbus, die von einer Zollfreiheit profitieren. "Wir haben uns komplett erpressbar gemacht – und Trump wird das ausnutzen", fasst Nicolas Lieven zusammen.

Lieven: EU hat es verpasst, neue Absatzmärkte zu erschließen

Für Lieven ist die EU nun in der Pflicht, sich besser zu positionieren: "Wir haben 450 Millionen Einwohner in der EU, 340 Millionen in den USA – wirtschaftlich sind wir ein Riese. Dafür verkaufen wir uns zu klein."

Weinberg an der Mosel
© picture alliance / CHROMORANGE | Berit Kessler
Die Weinreben wachsen an der Mosel – doch wer wird den Wein trinken?

Dass die EU es versäumt hat, neue Absatzmärkte etwa in Indien oder Südamerika zu erschließen, räche sich nun. Innerhalb der Europäischen Union fehle es an Geschlossenheit, so Lieven.

"Die Trauben müssen verarbeitet werden. Der Wein muss irgendwo hin. Wenn dann ein Viertel des Absatzmarktes wegfällt, wird es problematisch."
Johannes Selbach, Winzer

Noch ist nicht alles entschieden – es laufen Gespräche über Ausnahmen, unter anderem für Agrarprodukte. Der Winzer Johannes Selbach hofft, dass europäischer Wein zollfrei bleibt. Das gelte bereits für große Konzerne.

US-Whiskey zollfrei, EU-Wein überteuert?

Für ihn ist es "unbegreiflich", dass amerikanischer Whiskey zollfrei sein soll, europäischer Wein dagegen verteuert wird, "an dem Tausende von Familien in Deutschland, Spanien, Italien und Frankreich hängen".

Eines dürfe man nicht vergessen: Die Natur kennt Zollschranken nicht. Der neue Herbst und die Ernte stehen vor der Tür. "Die Trauben müssen verarbeitet werden. Der Wein muss irgendwo hin. Wenn dann ein Viertel des Absatzmarktes wegfällt, wird es problematisch."

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an unboxingnews@deutschlandradio.de

Shownotes
Wirtschaft
Zoll-Deal mit Trump: Wie Europa sich abziehen lässt
vom 29. Juli 2025
Moderation: 
Rahel Klein
Gesprächspartner: 
Johannes Selbach, Winzer
Gesprächspartner: 
Nicolas Lieven, Wirtschaftsjournalist