Genau vor einem Jahr haben in Belarus nach der Präsidentschaftswahl die Proteste gegen Alexander Lukaschenko begonnen. Und obwohl der Machthaber einiges getan hat, um seine Kritiker ruhigzustellen, ist der Widerstand immer noch groß. Wir erklären, wie das System Lukaschenko funktioniert.
Menschen werden verhaftet und gefoltert, Flugzeuge entführt, Dissidenten eingesperrt, Sportlerinnen bei den Olympischen Spielen bedroht - auch ein Jahr nach dem Aufstand gegen Machthaber Alexander Lukaschenko geht er mit allen Mitteln gegen seine Gegner vor. Er hat sich selbst zum Wahlsieger der Präsidentschaftswahlen in Belarus vor einem Jahr erklärt.
Lukaschenko selbst spricht von Säuberungen. Und die sind mittlerweile ziemlich weit fortgeschritten, sagt die ARD-Korrespondentin für Belarus, Christina Nagel. Der Machthaber unterdrücke Nichtregierungsorganisationen, Menschenrechtler*innen, aber auch lokale Bürgerinitiativen und kritische Medien – kurz: Alle, die sich irgendwie frei bewegen, unabhängig von der Staatslinie denken, sich in irgendeiner Form in Eigeninitiativen organisieren.
Gerade in den vergangenen Jahren und speziell während der Coronavirus-Pandemie seien in Belarus zivilgesellschaftliche Initiativen entstanden, die zu Protesten aufgerufen haben. Genau diese wolle Lukaschenko mundtot machen.
"Der Protest ist im Moment unterm Deckel. Das heißt aber nicht, dass er nicht jeder Zeit wieder ausbrechen kann."
Im Prinzip sei der Widerstand noch genauso stark wie direkt nach der Wahl, man sehe ihn nur nicht mehr, sagt Christina Nagel. Wer im vergangenen Jahr auf die Straße gegangen sei, habe nicht vergessen, warum er die eigene Gesundheit und Freiheit aufs Spiel gesetzt habe. Heute müssen alle damit rechen, verfolgt zu werden und direkt ins Gefängnis zu wandern, wenn sie offen auf der Straße protestieren.
Auch die Gesetze haben sich geändert: Mittlerweile müssen Demonstrierende direkt mit einer Anklage wegen Landfriedensbruch oder wegen Terrorismus rechnen. Es drohen also sehr harte Strafen. Auch deshalb sei der Widerstand zurzeit unterm Deckel, erklärt die Korrespondentin. Das heiße aber nicht, dass er nicht jeder Zeit wieder ausbrechen könne.
Beamtenapparat als wichtigste Stütze
Drei Dinge sorgen dafür, dass sich Alexander Lukaschenko an der Macht halten könne. Zum einen habe er ein System installiert, dass vollkommen losgelöst von der Gesellschaft ist. Es gebe immer noch Menschen, die ihn unterstützen und die Meinung vertreten, Lukaschenko sorge für Ruhe im Land und es wäre besser gewesen, wenn alles so weiter gelaufen wäre wie bisher.
Eine wichtige Stütze für den Machthaber ist sein Beamtenapparat, der gut von und mit ihm lebt und weiß: Tritt Lukaschenko ab, bricht dieses lukrative System zusammen.
Rolle Putins
Eine weitere Stütze ist der Sicherheitsapparat. Hier habe Lukaschenko Strukturen der Gegenseitigen Kontrolle etabliert, erklärt Christina Nagel. Vielen sei klar: Sollte Lukaschenko eines Tages nicht mehr an der Macht sein, müssen sie sich für ihr brutales Vorgehen gegen das Volk verantworten.
Entscheidend ist außerdem Wladimir Putin als wichtiger Verbündeter von Alexander Lukaschenko. Der russische Präsident fängt Sanktionen gegen Belarus mit wirtschaftlicher und finanzieller Unterstützung auf, die der belarussische Machthaber brauche, um sein System am Laufen zu halten.
Bleibt die Frage, wie es in Belarus weitergeht. Christina Nagel glaubt, dass das System eines Tages stürzen wird, allerdings könne das noch ein bisschen dauern. Der Hintergrund: Niemand könne auf Dauer so viel Druck aufrechterhalten, wenn das Volk nicht mitgehe. Unklar sei, wann es so weit ist - und was dann der Funken sein wird, der das Ganze erneut zum Entflammen bringt.