Es herrscht Lehrer- und Lehrerinnenmangel. Stimmt. Richtig ist aber auch, dass weniger Kinder geboren und damit bald weniger Kinder eingeschult werden. Braucht es dann weniger Grundschullehrkräfte? Das wäre der falsche Schluss, sagt Bildungsjournalist Armin Himmelrath. Denn Schule verändert sich.
In Deutschland kommen weniger Kinder zur Welt: 2022 wurden rund 795.000 Kinder geboren. Das waren etwa sieben Prozent weniger als im Vorjahr, so das Statistische Bundesamt, also 56.000 – und der Geburtenrückgang hat sich 2023 fortgesetzt.
Auch in Zukunft werden wohl weniger Kinder geboren und damit weniger eingeschult. Das heißt auch, dass weniger Lehrkräfte gebraucht werden. Die Bertelsmann Stiftung hat dazu eine Studie veröffentlicht. Darin heißt es: Der Bedarf an Grundschullehrkräften im Jahr 2025 wird mit mehr als 213.000 seinen Höchststand erreichen und dann bis 2035 auf rund 180.000 abnehmen.
Statt Mangel bald zu viele Grundschullehrkräfte?
Weiter heißt es in der Studie: Bis zum Jahr 2035 werden 45.800 Grundschullehrer*innen mehr bereitstehen, als erforderlich wären, um den Unterricht abzudecken.
Die Kultusministerkonferenz jedoch kommt zu ganz anderen Prognosen: Sie hat einen "Überschuss" von nur 6.300 Grundschullehrer*innen ab 2035 ermittelt.
Schätzungen gehen auseinander
"Für realistischer halte ich die Zahlen der Bertelsmann Stiftung", sagt Bildungsjournalist Armin Himmelrath. Die Prognosen der Kultusministerkonferenz seien zumindest in der Vergangenheit nicht immer gut gewesen. Fairerweise müsse man aber auch sagen: Es ist kompliziert.
Denn es gibt mehr Faktoren als die Geburtenrate, die sich natürlich auch wieder ändern kann. Hinzu kommt etwa die Pensionierung von Lehrkräften. Die sieht in den Bundesländern sehr unterschiedlich aus: In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel deute sich an, dass der Lehrermangel an Grundschulen länger anhalten wird, so Armin Himmelrath. Außerdem werden nicht alle später auch Grundschullehrer*innen, die ein Lehramtsstudium anfangen.
"Die pauschale Aussage, der Lehrermangel in den Grundschulen ist vorbei, lässt sich nicht halten."
Hinzukommt, dass sich Schule verändert. "Es gibt Aufgaben wie Inklusion", sagt Armin Himmelrath. Ab 2026 gibt es einen rechtlichen Ganztagsanspruch an den Grundschulen. "Für all das braucht man natürlich auch Fachkräfte." Deshalb spreche nichts dagegen, sich für ein Lehramtsstudium für Grundschulen zu entscheiden.
"Ich würde sagen: Der Beruf Grundschullehrer ist immer noch relativ sicher."
Auch in der Studie der Bertelsmann Stiftung wird auf den anhaltenden Bedarf verwiesen. Die zusätzlich vorhandenen Lehrkräften könnten dabei helfen, die pädagogische Qualität zu verbessern. Eine Empfehlung ist zum Beispiel, mehr Lehrkräfte an Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schüler*innen zu engagieren.
Ebenso können Grundschullehrkräfte auch Jahrgangsstufen fünf und sechs unterrichten. Dort fehlten weiterhin Lehrer*innen. Dafür brauchen die Lehrkräfte eine zusätzlichen Qualifizierung, die schon im Lehramtsstudiums möglich ist.
Was jetzt nicht passieren darf, ist, dass sich Menschen gegen ein Studium auf Lehramt entscheiden, findet Armin Himmelrath. Damit sei der nächste Lehrer*innenmangel schon abzusehen. Es sei wichtig, Lehrkräfte und Interessierte quasi im System zu halten. "Denn wir werden sie noch brauchen."