Für Mika ist eine Situationship das ideale Beziehungsmodell. Sozialpsychologin Johanna Degen weiß, dass es diese Art des unverbindlichen Zusammenseins schon lange gibt. Paartherapeutin Michiko Park sagt, Situationships sind manchmal genau das Richtige.
Mika ist 19 Jahre alt, studiert und hatte bereits zwei Situationships. Mika ist überzeugt, dass das – zumindest derzeit – das ideale Beziehungsmodell ist.
Nach Mikas Definition geht eine Situationship zwar über eine Freundschaft hinaus, aber entweder sind die Gefühle nicht ausreichend oder eine feste Beziehung passt nicht in die Lebensplanung. "Es ist eine engere Beziehung als Freundschaft, auch mit tieferen Gefühlen füreinander. Aber man wünscht sich halt keine Partnerschaft, oder irgendetwas reicht nicht für die Partnerschaft", sagt Mika.
"Man steht so ein bisschen auf der emotionalen Schwelle zwischen Freundschaft und Beziehung."
Die erste Situationship sei toxisch gewesen. Das habe jedoch nicht an dem Beziehungsmodell an sich gelegen, sondern an fehlender Kommunikation. Außerdem seien weder Mika selbst noch die andere Person richtig ehrlich zu sich gewesen.
Die zweite Situationship sei dann aus einer Freundschaft heraus entstanden, wurde aber schnell zum Dating. Und ist dann in dieser Dating-Phase hängengeblieben. Hier klappte das mit der Kommunikation besser, sagt Mika: "Wir haben oft darüber gesprochen, über diese Frage: Was sind wir überhaupt?“
"Sie brauchte quasi dieses klassische Beziehungskonzept von jemandem, auf den sie sich verlassen kann, an den sie sich binden kann. Eine Person, die immer für sie da ist. Und ich habe ganz offen kommuniziert, dass ich das nicht leisten kann."
Für Mika stand es in dieser Zeit außer Frage, eine feste Beziehung mit jemandem einzugehen. Die andere Person hingegen hätte sich mehr Commitment gewünscht. Mika hat dann klar gemacht, so etwas nicht leisten zu können. "Und sie hat dann offen kommuniziert, dass sie mich aber trotzdem mag und dass das für Sie in Ordnung ist", sagt Mika. Sie konnten die Situationship dann fortführen, "ohne dass wir aneinander Erwartungen gestellt haben, von denen wir wussten, dass wir sie nicht erfüllen können."
Das Bild einer unverbindlichen Gesellschaft
Johanna Degen ist Sozialpsychologin, sie forscht unter anderem zu Beziehungen, Sex und Liebe im Kontext digitaler Entwicklung. Und sie sagt, dass dieser Eindruck, den wir vielleicht manchmal beim Dating haben, dass heutzutage niemand mehr Lust auf Bindung hat, so nicht stimmt.
"Es ist eher so, dass viele Lust haben, sich zu committen, aber sich quasi künstlich zurückhalten, weil niemand der committete Part sein möchte."
Die Sozialpsychologin beobachtet, dass Menschen oft nicht mehr unbedingt offen dazu stehen, dass sie eigentlich eine feste Beziehung suchen. "Man hält sich also zurück, um nicht zu zugeben, wie groß die Hoffnung eigentlich ist und auch, wie groß das Bedürfnis und der Wunsch ist, jemanden zu finden", sagt sie. So entstehe der Eindruck, dass unsere Gesellschaft unverbindlicher wird. Johanna Degen sieht darin jedoch eher ein "gemeinschaftliches Missverständnis".
"Die Emanzipation hat Frauen auch schon mal Dreifachbelastung als Befreiung verkauft. Und es hat sich sicherlich von der Tendenz nichts, aber auch gar nichts geändert."
Johanna Degen sagt: "Das Narrativ im Online-Dating ist jetzt nicht: Oh, man sucht die große Liebe oder mehrere große Lieben. Das hat ja schon fast einen peinlichen Touch, weil wir nämlich eher so einen desillusionierten, fast zynischen Blick darauf hegen und pflegen."
Bei der Frage, ob Situationships nicht auch etwas Befreiendes haben können, zögert Johanna Degen und rät zu Vorsicht: Wir sollten genau schauen, wo uns etwas verkauft wird und ob es wirklich mit unseren Bedürfnissen zusammenpasst.
Situationen, die sich schnell wieder ändern können
Die Paartherapeutin Michiko Park findet, dass Situationships für manche Lebenslagen genau das Richtige sind: "Wenn du zum Beispiel neu in einer Stadt bist, wenn du vielleicht mitten im Studium oder in der Ausbildung oder in deinem Job steckst und auch nicht so einfach raus willst. Aber du möchtest nicht auf eine Beziehung verzichten." Situationship sei eben eine Form der Beziehung, die im Hier und Jetzt gelebt werde. Und dann auch wieder auseinandergehe.
"Du bist in dem Moment im Hier und Jetzt mit der Person verbunden. Aber das geht wieder auseinander. Jeder geht in sein Leben und kann seine Dinge verfolgen, wenn nichts Weiteres vereinbart wird."
Michiko Park sagt, dass eine Situationship die gleichen Kompetenzen erfordert, die wir auch für eine feste Partnerschaft gut gebrauchen können: "Es braucht sie nur viel mehr, weil wir hier nicht mehr von diesen Selbstverständlichkeiten ausgehen."
Zu den Kompetenzen zählen:
- Kommunikationsfähigkeit
- Selbstreflektion
- Abstand nehmen können
- den anderen nicht für eigene Bedürfnisse verantwortlich machen (um eigene Bedürfnisse müssen wir uns stattdessen selbst kümmern)
"Eine gute Beziehung in allererster Linie zu mir selber ist eine gute Voraussetzung, um in eine Beziehung zu gehen. Egal, ob die situativ ist oder ob die in eine langfristige Beziehung mündet."
Die Paartherapeutin Michiko Park weist aber auch darauf hin, dass der Name natürlich Programm ist: Situationship bedeutet, dass wir von einem aktuellen Zustand, einer aktuellen Situation sprechen. Aber die Situation kann sich natürlich jederzeit auf beiden Seiten ändern. Und dann müsse sie neu ausgehandelt werden.
Situationship: Der Name ist Programm
Insgesamt empfiehlt sie, eine gute Beziehung zu sich selbst zu haben. Und nicht zu erwarten, dass ein Partner oder eine Partnerin unsere Wünsche erkennt, erfüllt oder befriedigt. Denn das sei etwas, was zu Problemen führe und was sie sehr häufig in Paartherapien erlebe. "Diese Selbstregulation. Wenn ich die selber kann, wenn ich weiß, was ich brauche, um mich zu beruhigen oder um mich auf Touren zu bringen und so weiter, dann kann ich auch gut in der Beziehung sein, egal ob situativ oder langfristig", sagt sie.
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