Der Inflationsanstieg hat Lebensmittel verteuert - auch die Bio-Waren. Doch immer mehr Menschen müssen aufs Geld schauen und geben für nachhaltige Produkte weniger aus. Welche Folgen das für Bio-Supermärkte hat, hat Deutschlandfunk-Nova-Reporter Stephan Beuting recherchiert.
Konzerte? Kleidung? Essen? Wo machen wir als erstes Abstriche, wenn alles teurer wird? Kartoffeln aus der Region oder Kaffee aus Bioanbau – können wir uns das noch leisten?
Nach einer aktuellen Verbraucherstudie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte hat sich die "Akzeptanz von Mehrkosten bei nachhaltigen Produkten innerhalb eines Jahres halbiert". Das Thema Nachhaltigkeit ist den Menschen zwar nach wie vor wichtig – in der aktuellen Situation greifen aber immer mehr Menschen bei günstigerer konventioneller Ware zu, die sich zuvor noch für teurere Bio-Produkte entschieden hatten.
Ortsbesuch im Bonner Biomarkt
Am Mittwoch, 12. Oktober 2022, sind im SuperBioMarkt in Bonn nicht viele Kund*innen zu sehen. Sauber herausgeputzt warten Brokkoli, Spitzkohl und Rispentomaten auf Kundschaft. Unter der Woche sei es generell ein bisschen ruhiger, erzählt Benedikt Verhoeven, der hinter der Fleisch- und Käsetheke steht.
Die Umsatzeinbußen seien deutlich spürbar. Der Verkauf von Hühnchen etwa sei um mindestens die Hälfte zurückgegangen.
"Hähnchen, egal ob Brust oder Keule, haben wir früher viel mehr verkauft. Im Sommer ist das stark zurückgegangen. Mindestens die Hälfte weniger, wenn nicht sogar noch mehr."
Das Marktforschungsunternehmen GfK hat für den August ermittelt: Der Umsatz der Bio-Supermärkte ist im Vergleich zum Vorjahresmonat um 10,8 Prozent zurückgegangen.
Temporärer Knick oder Bio-Zeitenwende?
Ob das stetige Wachstum in der Biobranche momentan nur eine Delle erlebt oder ob es sich tatsächlich um einen langfristigen und großen Rückgang handelt, lässt sich noch nicht sicher sagen.
Für einen langanhaltenden Rückgang sprechen die sich weiter eintrübende Konjunkturdaten: Der Internationale Währungsfond IWF nennt die aktuelle Lage in seinem Bericht die "schlimmste Krise seit 20 Jahren". Und das Schlimmste komme erst noch.
Andererseits war der Umsatzrückgang im ersten Halbjahr 2021 stärker als der im ersten Halbjahr 2022. Benedikt Verhoeven gibt sich optimistisch und sagt, es gehe wieder in die richtige Richtung - heißt: Der Tiefpunkt sei schon überschritten.
"Ich würde sagen, dass es wieder mehr wird. Wir machen definitiv bessere Umsätze als vorher und deswegen würde ich sagen, dass der Tiefpunkt im Moment überschritten ist. Solang nicht noch eine zusätzliche Überraschung kommt."
Die grundsätzliche Bereitschaft, für Gesundheit und Nachhaltigkeit mehr auszugeben, ist zwar noch da, sagen Konsumforscher. Gleichzeitig wird sie aber durch die Inflation und die ungewissen Entwicklungen gedämpft.
Die Folge: Die Verbraucher*innen schichten um – und kaufen jetzt günstigere Bio-Produkte.
Trend zu Bio aus dem Discounter
Bio ist also grundsätzlich nach wie vor gefragt – doch die Krise verschiebt die Anteile: vom Fachhandel hin zum Discounter, erklärt Robert Kecskes von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg. Seine Daten stützen sich nicht nur auf Umfragen, sondern die Teilnehmenden scannen auch ihre Kassenbons ein.
"Die Menschen weichen auf günstige Produkte aus. Allerdings sind diese Produkte auch in Bio-Qualität."
Vielleicht ist das nur kurzfristig, vielleicht aber auch eine langfristige Entwicklung, sagt Robert Kecskes. Denn wenn die bisherigen Bio-Supermarkt-Kund*innen aktuell gute Erfahrungen mit günstigeren Bio-Marken im Discounter machen, dann kämen sie nach der Krise nicht automatisch zurück.
Eine Landwirtschaft, die Böden und Umwelt schont und regionale Produktionsweise fördert, die heimischen Betriebe stärkt und Ressourcen schont. Eigentlich bräuchten wir dieses Prinzip gerade jetzt, findet Stephan Beuting. Die Frage ist nur: Unterstützen wir dieses Prinzip noch uneingeschränkt, wenn wir nur noch Discounter-Bio-Ware einkaufen?
Ein Pluspunkt: Ganzheitlichkeit der Bio-Märkte
In den Discountern seien viele Bio-Produkte zwar günstiger. In Sachen Ganzheitlichkeit hätten aber nur die Bio-Märkte den "Einhundert-Prozent-Rahmen", sagt Matthias Wilken, der Leiter des Bonner SuperBioMarkts.
"Transparenz, Regionalität, Authentizität, Erlebnis… Also wenn der Kunde zu uns kommt, dann hat der auch einen Kontakt und dazu kommt auch noch Geschmack durch eine ganz andere Qualität."
Er bleibt optimistisch: "Weil wir da einfach alternativlos sind. Nicht nur wir hier, sondern der Naturkostfachhandel generell."