Funktional, übersichtlich und harmlos: So sieht die DNA des ersten künstlichen Bakteriums aus. Ein Zürcher Forscherteam hat es entwickelt.

Ein Team der ETH Zürich hat die DNA für eine neue, künstliche Bakterienart erschaffen. Allerdings ist das nun künstlich hergestellte Bakterium Caulobacter ethensis-2.0 noch kein fertiges Bakterium. Die Forschergruppe um den experimentellen Schweizer Systembiologen Beat Christen geht aber davon aus, dass tatsächlich richtige Bakterien aus der DNA hervorgehen können –kleinste lebende Organismen. 

Caulobacter ethensis-2.0 lebt nicht, kann sich nicht reproduzieren. Im Ergebnis hat man nun zwar Bakterien-DNA, aber noch kein fertiges Lebewesen, keinen Organismus.

Ein vereinfachter Nachbau

Das Team hat seine Ergebnisse in den Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS) veröffentlicht. Als Ausgangsmaterial wählte die Projektgruppe aus der Schweiz und den USA das recht häufige Süßwasserbakterium: Caulobacter crescentus. Es lebt unter anderem im Zürichsee. 

Dieses Süßwasserbakterium haben die Forscher künstlich nachgebaut und das ursprüngliche Bakterien-Genom dabei ziemlich stark verändert und vor allem verkleinert. Ihr Ergebnis: Caulobacter ethensis-2.0.

Sie haben am Computer analysiert und simuliert, welche Genabschnitte das Bakterium benötigt und welche nicht, damit das Bakterium noch die gleiche Funktion hat. Ihre Kopie beschränkten sie auf jene Abschnitte, die für die Funktion wirklich wichtig waren. 

Rund 700 Gene sind entscheidend

Das Team aus der Schweiz und den USA hat Genabschnitte weggelassen und das teilweise genetisch-kopierte Bakterium funktioniert trotzdem noch genauso wie das Bakterium mit vollständigem Erbmaterial. Eigentlich hat Caulobacter crescentus 4000 Gene. Es war schon bekannt, dass davon für die Funktion nur ungefähr 680 wirklich entscheidend sind. 

Mit Hilfe von Computern haben die Forscher dann ausgerechnet, welche Gen-Abschnitte welche Funktion haben und wie man die kopierten Gen-Abschnitte so anordnen kann, dass Caulobacter ethensis-2.0 die Funktionen des Ausgangs-Bakterium aufweist. So konnten sie zeigen, dass für künstliche Bakterien nicht unbedingt alle Gen-Abschnitte des Originals erforderlich sind. Ihr wichtigstes Ergebnis: Vieles kann man weglassen.

In der aktuellen Kopie Caulobacter ethensis-2.0 finden sich noch einige Fehler. Von den 680 wichtigen Genen waren in der Kopie nur 580 funktionsfähig. Die Wissenschaftler arbeiten daran, dass Ergebnis zu verbessern Ihr Ziel ist, dass die reduzierte Kopie der Bakteriums-DNA alle Funktionen des Originals aufweist.

Erst die Diskussion, dann die Anwendung

Grundsätzlich ist das genetische Nachbauen besonders für die medizinische Forschung und Anwendung interessant. Man könnte auf diesem Weg Moleküle oder Vitamine herstellen, die auf bestimmte Art und Weise wirken, neue Impfstoffe zum Beispiel. Grundsätzlich ist der Weg zur Produktion künstlicher Bakterien nun frei. Vor dem Einstieg in die Anwendung sieht Beat Christen noch erheblichen Diskussionsbedarf in Wissenschaft und Gesellschaft. 

Zufrieden sind die Forscher besonders damit, dass ihre Methode recht schnell und ziemlich günstig ist. Ihr Verfahren, bei dem einzelne DNA-Sequenzen kopiert wurden, hat gerade mal ein Jahr gedauert nach eigenen Angaben umgerechnet rund 100.000 Euro gekostet.

Vor rund elf Jahren galt noch der exakte Nachbau des Bakteriums als wichtiger Schritt. Ein Team um den US-Genetiker Craig Venter baute Caulobacter crescentus detailliert nach, benötigte rund zehn Jahre. Die Kosten sollen bei 40 Millionen Dollar gelegen haben.

Unser Bild ist ein Symbolbild. Es zeigt ein Modell des Bakteriums Caulobacter crescentus.

  • Moderatorin: Steffi Orbach
  • Gesprächspartnerin: Ann-Kathrin Horn