Die neue NFL-Saison ist gestartet und damit auch die Diskussionen um den Kniefall während der Nationalhymne als Protestgeste. Viele Spieler haben bereits angekündigt, der Protestgeste von Colin Kaepernick auch in dieser Saison zu folgen.

Zum Start der neuen NFL-Saison wird sichtbar, dass sich seit der Black-Lives-Matter-Demonstrationen der vergangenen Monate das Bewusstsein für die Rassismus-Problematik in den USA verändert hat - zumindest bei vielen Football-Spielern. Das Team der Houston Texans beispielsweise hat ein Video veröffentlicht, in dem es sich bewusst gegen Rassismus und Polizeigewalt ausspricht.

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Die Miami Dolphins haben in einem Video die NFL und ihre "leeren Gesten" kritisiert, mit denen die Liga in dieser Saison auf Rassismus aufmerksam machen wollte. Und für ein Spiel am Sonntag haben Spieler der Dallas Cowboys angekündigt, während der Nationalhymne zu knien. Das hat nicht nur für interne Diskussionen gesorgt.

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Schon der erste Kniefall des San Francisco 49er-Spieler Colin Kaepernick, der 2016 während der Nationalhymne auf die Knie ging, um auf die Ermordung von Schwarzen durch die Polizei aufmerksam zu machen, hatte für Aufregung gesorgt.

Der Beginn von Black Lives Matter

Colin Kaepernick begann seine professionelle Football-Karriere zu einer Zeit, in der viele Fälle von Polizeigewalt an Schwarzen bekannt wurden: 2012 wurde der 17-jährige Trayvon Martin erschossen, 2014 kam Eric Garner bei einer gewaltsamen Polizeikontrolle ums Leben, im gleichen Jahr wurde der zwölfjährige Tamir Rice von einem Polizisten erschossen. Zu dieser Zeit tauchte auch der Hashtag #blacklivesmatter zum ersten Mal auf.

"Colin Kaepernick hat seine Karriere als professioneller Football-Spieler gestartet, als viele Fälle von Polizeigewalt gegen Schwarze bekannt wurden: Trayvon Martin 2012, Eric Garner, Michael Brown, Tamir Rice 2014."
Hanna Ender, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin

Als kurz vor Beginn der NLF-Saison im Jahr 2016 Philando Castile bei einer Kontrolle in Minnesota erschossen wurde und ein Video dazu landesweite Proteste auslöste, postete Colin Kaepernick dieses Video auf seinem Instagram-Account und schrieb dazu: "We are under attack!"

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Um seinem Protest Ausdruck zu verleihen, blieb Colin Kaepernick während der Nationalhymne bei den ersten Spielen 2016 einfach auf der Bank sitzen - bis ihn der ehemalige NFL-Spieler und Militärveteran Nate Boyer auf den Kniefall brachte.

Der erste Kniefall in der NFL

Der schrieb Colin Kaepernick nämlich einen offenen Brief, in dem er ihm sagte, dass ihn das Sitzenbleiben während der Nationalhymne sehr verletzt habe. Denn bei derartigen Sportereignissen wird während der Hymne auch oft der gefallenen US-Soldaten gedacht. Also schlug er ihm vor, sich hinzuknien. Die Geste könne Respekt gegenüber den gefallenen Soldaten zeigen, aber auch gleichzeitig den Protest von Kaepernick ausdrücken. Kaepernick überzeugte das.

"Kaepernick wollte keinen Nationalstolz mehr demonstrieren in einem Land, in dem Schwarze permanent von Polizisten getötet werden."
Hanna Ender, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin

Viele Fans, der US-amerikanische Präsident Donald Trump und auch einige Medien wie Fox-News waren es nicht und hetzen in Berichten und Tweets gegen den Football-Spieler. 2017 verlor er dadurch sogar seinen Job als Profi-Footballspieler. Der Kniefall wurde als unamerikanisch und unpatriotisch bezeichnet. Doch genau das wollte Colin Kaepernick ausdrücken: Er wollte nicht mehr zeigen, dass er auf ein Land stolz sei, in dem schwarze Menschen immer wieder von der Polizei getötet werden.

Eine Geste, die provoziert hat

Der Kulturwissenschaftler Andreas Gehrlach von der Humboldt-Universität in Berlin forscht zu der Kultur- und Körpergeschichte des Niederkniens. Er kann verstehen, warum diese Geste so stark polarisiert hat: Da Colin Kaepernick während der Nationalhymne kniete, gleichzeitig aber aus einer Protesthaltung heraus in den Kniefall ging, habe er damit stark provoziert.

"Wenn man kniet und vor etwas oder zu etwas kniet, wie hier zum Beispiel zur Nationalhymne, und aber gleichzeitig ausdrückt, dass man nicht deswegen kniet, sondern wegen etwas anderem, dann ist das eine unglaubliche Provokation."
Andreas Gehrlach, Kulturwissenschaftler der Humboldt-Universität in Berlin

Dazu komme, dass die Art des Kniens keineswegs unterwürfig wirke. Wenn ein zwei Meter großer Mann nur auf einem Bein kniet, seinen Ellenbogen auf dem anderen Knie abstützt und dabei starr geradeaus blickt, steckt in der Geste viel Kraft. Ganz anders als, wenn sich eine Person auf beide Beine knien würde, wie es beispielsweise beim Beten der Fall ist.

Protestgeste mit langer Geschichte

Nate Boyer hat den Kniefall in Zusammenhang mit Protesten für die Rechte der Schwarzen aber nicht erfunden. Schon im Kampf um die Abschaffung der Sklaverei um 1800 wurde der Kniefall verwendet. Auch die US-Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King in den 1960er Jahren hat das Kneeling als Protestgeste verwendet. Während eines Marsches von Selma nach Montgomery im Jahr 1965, einer der Höhepunkte der Bürgerrechtsbewegung, kniete sich Martin Luther King zusammen mit den Demonstrierenden hin und sie beteten zusammen.

"Tatsächlich ist diese Art von Knien als Protestform schon vorher in der afroamerikanischen Geschichte aufgetaucht: Im Kampf um die Abschaffung der Sklaverei um 1800 und während der US-Bürgerrechtsbewegung in den 1960er Jahren."
Hanna Ender, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin

Heute, vier Jahre nachdem Colin Kaepernick für das Aufleben des Kniefalls als Protestgeste so viel Hass erfahren hat, ist das Knien die Protestgeste der Black Lives Matter-Bewegung schlechthin geworden, sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Hanna Ender – auch in Deutschland.

Bei einer Black-Lives-Matter-Demonstration in Köln sind die Menschen gemeinsam mit der Polizei auf die Knie gegangen. Und auch andere Sportler wie Fußballer von Borussia Dortmund oder der Rennfahrer Sebastian Vettel haben mit der Geste bereits ihre Solidarität mit den Protesten ausdrücken wollen.

Shownotes
Black Lives Matter
Colin Kaepernick und der erste Kniefall in der NFL
vom 11. September 2020
Moderatorin: 
Jenni Gärtner
Gesprächspartnerin: 
Hanna Ender, Deutschlandfunk Nova