Die "Penner", die Obdachlosen - nehmen wir sie noch wahr? Und fragen wir uns noch: Wie seid ihr bloß da hin gekommen? Das Buch "Das kurze Leben des Stuart Shorter" von Alexander Masters stellt genau diese Frage. Es ist kein Roman, es ist die Biografie eines Obdachlosen, erschienen vor 10 Jahren.
Stuart Clive Shorter - als Alexander ihn das erste mal sieht, 1998, kurz vor Weihnachten, sitzt Stuart komisch verdreht, als wäre er aus Gummi, auf einem Pappkarton in Cambridge, England. Kaputte Turnschuhe, kaputte Zähne, blasse Haut, kahlgeschorener Schädel. Seinen kompletten rechten Arm bedeckt ein riesiges, selbstgestochenes Tattoo: F U C K. So sieht er aus, so sitzt er da. Stuart. Und er flüstert etwas. Alexander muss sich hinknien, um ihn zu verstehen.
Die Idee, seine Geschichte aufzuschreiben, kommt Stuart und Alexander gemeinsam. Sie vertrauen sich. Warum genau, kann Alexander nicht sagen. Auch nicht, warum er keine Angst vor ihm hat. Mal treffen sie sich in Stuarts kleiner Einraumbutze, die er hat, um wieder auf die Beine zu kommen, mal in der Stadt, mal bei Alexander. Dass Alexander auch Stuarts Großeltern, seine Mutter und seine Halbschwester befragt, weiß Stuart. Es ist okay für ihn.
Stuart erzählt alles
Und so reisen sie zurück: Alexander stellt Fragen, Stuart antwortet, kreuz und quer. Ein Kassettenrecorder rattert nebenher und nimmt alles auf. Sie reisen durch die ersten Jahre im Gefängnis, durch die Klebstoffschnüffelzeit, durch die Heimzeit, bis dahin, wo er elf Jahre alt war und das erste Mal von zu Hause weg lief. Warum, will Alexander wissen. Und Stuart erzählt es ihm. Alles.
"Das kurze Leben des Stuart Shorter" von Alexander Masters ist im Kunstmann Verlag erschienen, hat 319 Seiten und kostet 19,90 Euro.