Der erste vom Parlament eingesetzte Bürgerrat soll kommen. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas lost 160 Teilnehmende aus. Thema des Rates ist die "Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben".
Der Bürgerrat soll ein Diskussionsforum sein, um in gesellschaftlich strittigen Fragen zu Lösungen zu kommen. Thema des ersten Bürgerrats wird die "Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben" sein. Die 160 Personen werden aus 2000 Kandidat*innen ausgelost. Diese Kandidat*innen hatten sich zurückgemeldet, nachdem 20.000 Bürgerinnen und Bürger per Zufall aus dem Einwohnermelderegister ausgewählt und angeschrieben wurden.
Der Rat soll einen Querschnitt unserer Gesellschafft abbilden, erklart Gudula Geuther, DLF-Korrespondentin im Hauptstadtstudio. Ziel sei es, dass der Rat klären soll:
- in wie weit und ob der Staat sich beim Thema Ernährung einmischen soll,
- ob er über gesunde Ernährung aufklären soll,
- ob gesunde Lebensmittel gekennzeichnet werden sollen,
- wie gegen Lebensmittelverschwendung vorgegangen werden soll.
"Das ist eine Premiere, dass so ein Rat vom Bundestag eingesetzt wird."
Damit der Rat später auch tatsächlich einen Querschnitt der Gesellschaft abbildet, wurden die 2000 Kandidatinnen von einer Software in Gruppen zusammengestellt, in denen zu gleichen Teilen Männer und Frauen, Stadt- und Landbewohner*innen und auch unterschiedliche Altersgruppen vorhanden sein. "Übrigens auch verschiedene Einstellungen zu Ernährung", erläutert
Gudula Geuther. Aus diesen Gruppen werden dann die Teilnehmenden gezogen.
Bürgerrat als Querschnitt unserer Gesellschaft
Gerade das Zusammenbringen von verschiedenen Haltungen und Lebenswelten in einem Bürgerrat soll dabei helfen, Kompromisslinien bei besonders umstrittenen Themen zu finden. So sollen dann auch Menschen überzeugt werden, mit deren Einstellung ein Kompromiss eher schwierig zu erreichen ist.
"In der Vergangenheit das schon gut funktioniert. Vor Jahrzehnten wurde in Freiburg auf diese Weise ein Stadtteil geplant", berichtet Gudula Geuther. Ein guts Beispiel für den Erfolg eines solchen Bürgerrats gebe es in Irland, wo nach der Tagung des Rats das zuvor sehr rigide Abtreibungsrecht liberalisiert werden konnte. Wesentlicher Teil des Erfolgs solcher Räte sind die informierten Entscheidungen, sagt Gudula Geuther. Denn Expert*innen sind bei den Beratungen dabei, die erklären und beraten, aber nicht entscheiden.
Theresa Mießlang war 2019 im Bürgerrat Demokratie. Sie haben damals über Möglichkeiten der direkten Demokratie diskutiert und am Ende die Empfehlung abgegeben, dass es eine Bürgerbeteiligung auf nationaler Ebene geben sollte. Diese Empfehlung hat der Bundestag jetzt mit dem ersten Bürgerrat des Bundestags zu Ernährung auch umgesetzt.
Kritik am Bürgerrat kommt von der Union und der AFD
Dass so ein Bürgerrat die Entscheidungen der gewählten Abgeordneten nicht ersetzten kann, ist völlig klar, sagt Gudula Geuther. "Wir haben eine repräsentative Demokratie. Der Bundestag entscheidet selbst, was er umsetzt und was nicht." Es ist aber auch klar, wenn man als Bundestag so ein Gremium einsetzt, kann man es schlecht ignorieren, meint Gudula Geuther. Eine gewisse moralische Bindung an die Entscheidungen gebe es dann schon.
Im Bundestag haben alle Fraktionen für den Bürgerrat gestimmt - außer AFD und CDU/CSU. Aus der Union komme jetzt auch Kritik gerade wegen der Haltung zur Demokratie. Zum Beispiel warnt Philipp Amthor vor einer "Erosion des Konzepts der repräsentativen Demokratie", zitiert ihn die Hauptstadt-Korrespondentin. Dabei gehe es um die grundlegende Frage, wie wir unsere Demokratie organisieren.