Bei der Wahl um das Bürgermeisteramt in London tritt auch der selbsternannte Weltraumkrieger Count Binface an. Seine Kandidatur sieht aus wie reiner Klamauk, hat aber auch eine ernste Seite.

Am 2. Mai finden in England und Wales Kommunalwahlen statt. Unter den Kandidaten um das Londoner Bürgermeisteramt ist auch Count Binface, zu deutsch: Graf Mülltonnengesicht. Es handelt sich dabei um einen Mann im Superheldenkostüm, über seinen Kopf hat er eine Mülltonne mit Sehschlitz und einem quadratförmigen Mundausschnitt gestülpt.

Count Binface heißt in Wahrheit Jon Harvey und ist ein 44-jähriger britischer Comedian. Als Mülltonnengesicht hat er keine reelle Chance, Amtsinhaber Sadiq Khan von der Labour-Partei gefährlich zu werden, der bereits zum dritten Mal antritt.

"Das ist Klamauk mit einer Prise Ernst."
Christine Heuer, Deutschlandradio-Korrespondentin in London

Laut unserer Großbritannien-Korrespondentin Christine Heuer verbergen sich hinter der klamaukigen Fassade von Harvey dennoch ernsthafte Anliegen: So setzt er sich als Count Binface gegen die Verschmutzung der Themse, für die Senkung der Lebenshaltungskosten in der Hauptstadt und gegen den umstrittenen Ruanda-Deal der konservativen britischen Regierung ein.

In Zukunft sollen Migranten, die illegal im Vereinigten Königreich ankommen, nach Ruanda abgeschoben werden können – egal, wo sie herkommen. Ihren Asylantrag sollen sie in dem ostafrikanischen Land stellen.

Ungewöhnliche Lösungsansätze

Count Binface verspricht pragmatische Lösungen für aktuelle Probleme: So will er die Verantwortlichen des Wasserversorgers Thames Water ein Bad im Wasser der von Fäkalien verseuchten Themse nehmen lassen, um "zu sehen, wie es ihnen gefällt". Und er kündigt an, den Preis von Croissants auf ein Pfund und zehn Pennys zu deckeln.

Klamauk-Kandidaten haben eine gewisse Tradition bei britischen Wahlen. Zu den prominenteren Vertreter*innen gehört die Official Monster Raving Loony Party, die seit 1982 immer wieder bei Unterhauswahlen antritt.

Freakshow auf der Polit-Bühne

Bei den letzten Unterhauswahlen im Jahr 2019 tummelten sich neben Count Binface ein Kandidat im Kostüm der Sesamstraßenfigur Elmo, Lord Buckethead (Lord Eimerkopf) und Yace Yogenstein, auch bekannt als Interplanetary Time Lord, auf der Bühne.

"Das sind Leute, die sich Protestwählern anbieten, die auf keinen Fall die etablierten Parteien wählen – aber ihre Stimme nicht verfallen lassen wollen."
Christine Heuer, Deutschlandradio-Korrespondentin in London

Außerhalb Englands wurden solche Polit-Clowns vor allem durch Comedy-Serien wie "Monty Python’s Flying Circus" oder "Black Adder" bekannt.

Wohnungsnot und Messerattacken

Tatsächlich sind die britischen Wähler*‘innen aktuell mit vielen drängenden Themen konfrontiert:

  • Die gestiegenen Lebenshaltungskosten sind landesweit ein Problem, in London herrscht dazu akuter Wohnungsmangel.
  • Die mangelhafte Gesundheitsversorgung ist landesweit immer wieder in den Schlagzeilen.
  • In der Hauptstadt nehmen seit Jahren die Messerattacken stetig zu, zuletzt wurde bei einer Schwertattacke im Nordosten Londons ein 14-Jähriger getötet.
  • Die Erweiterung der Londoner Umweltzone ULEZ (Ultra Low Emission Zone) durch Sadiq Khan im Sommer 2023 hat zu heftigen Protesten von Pendler*innen und Handwerker*innen geführt.
"Das ist eine Politik, bei der die Tories erfolgversprechend angreifen können, auch bei dieser Bürgermeisterwahl."
Christine Heuer, Deutschlandradio-Korrespondentin in London

Susan Hall, die Kandidatin der Konservativen, wird Amtsinhaber Khan laut Christine Heuer allerdings wohl eher nicht gefährlich werden. Und Count Binface sowieso nicht. Ihm geht es in Wirklichkeit ohnehin nicht darum, möglichst viele Stimmen zu bekommen, sagte Harvey im Gespräch mit der Deutschen Presseagentur in London.

"Ich brauche keine einzige Stimme. Es ist immer wunderbar, wenn sie kommen. Aber darum geht es nicht. Es geht einfach darum zu zeigen, dass jeder zur Wahl antreten kann, was in so vielen Ländern der Welt nicht möglich ist", so der 44-Jährige. Die Wahlbehörden seien ihm gegenüber immer sehr entgegenkommend – denn sie verstünden, um was es ihm geht.

Shownotes
Bürgermeisterwahl in London
Graf Mülltonnengesicht und die Londoner Stadtpolitik
vom 02. Mai 2024
Moderator: 
Christoph Sterz
Gesprächspartnerin: 
Christine Heuer, DLR-Korrespondentin in London