Unser Elternhaus ist mit vielen Kindheitserinnerungen verknüpft. Viktoria teilt ihre Erfahrungen, wie es sich angefühlt hat, als ihre Eltern plötzlich umgezogen sind und sie vom Ort ihrer Kindheit Abschied nehmen musste. Was bei diesem Prozess helfen kann, erklärt der Familientherapeut Björn Enno Hermans.
Victoria ist in einem Haus in Schleswig-Holstein aufgewachsen. Die ersten 15 Jahre ihres Lebens hat sie dort gelebt, so die heute 25-Jährige. Vor Kurzem sind ihre Eltern nach Essen gezogen. Das hätte sich zwar abgezeichnet, als das Haus dann aber ausgeräumt wurde, sei das ein sehr komisches und auch ein bisschen trauriges Gefühl gewesen. "Die gesamte Kindheit und Jugend, die man da erlebt hat, dieser Abschnitt war dann vorbei", sagt Viktoria.
"Als das Haus leer stand, das war der komischste Moment für mich. Die gesamte Kindheit und Jugend, die man da erlebt hat, dieser Abschnitt war dann vorbei."
Kindergeburtstage, Weihnachten, Spielen im Garten, Trampolin hüpfen oder Teenagerprobleme – all das sind Erinnerungen, die fest mit dem Haus verbunden sind, meint Victoria. Im Elternhaus zu sein, bedeute auch, seine eigene Entwicklung in all den Jahren zu reflektieren.
Ein Lebensabschnitt ist abgeschlossen
Die letzte Woche hat Viktoria alleine mit ihrer Mutter im Elternhaus verbracht. Das letzte Mal im Garten sitzen, das letzte Mal in der Küche oder zum Einkaufen – alles wurde ein wenig dramatisiert und auch zelebriert, sagt sie. So etwas helfe ihr, besser mit den danach folgenden Veränderungen umzugehen.
Da der Umzug auch nicht unvorbereitet gekommen sei, habe sie inzwischen ihren Frieden damit schließen können und einen Lebensabschnitt abgeschlossen. Geholfen habe ihr dabei auch, alte Fotos anzuschauen oder Freunde von früher zu treffen – außerdem ein großes Abschiedsfest zum Schluss.
"Es ist nicht so, dass ich oft daran denke, dass ich das Haus vermisse, sondern es ist so ein abgeschlossener Lebensabschnitt."
Ein wenig Kinderzimmergefühl gibt es aber auch noch im Haus der Großeltern in Essen, in das auch Viktorias Eltern eingezogen sind. "Die haben einen großen Keller und da haben wir auch schon als kleine Kinder immer drin geschlafen", sagt sie. Hier stehen inzwischen auch die alten Kinderbetten.
Wenn Erinnerungsorte verschwinden
Dass es sich wie ein Verlust anfühlen und traurig machen kann, wenn bestimmte Orte, mit denen wir viele Erinnerungen und Erfahrungen verknüpfen, plötzlich nicht mehr da sind, sagt auch der Familientherapeut Björn Enno Hermans. Vor allem dann, wenn wir die Entscheidung nicht selber treffen, könne es sein, dass wir uns dabei überrumpelt und weniger selbstwirksam fühlen.
"Den Ort, der vielleicht mit persönlichen Erinnerungen und Erfahrungen besetzt ist, nicht mehr zur Verfügung zu haben, kann sich anfühlen, wie etwas zu verlieren und Wehmut und Traurigkeit auslösen."
Abschied heißt auch: Emotionen zulassen
Mitunter könne der Prozess sehr emotional werden, manchmal fließen auch Tränen. Das sei überhaupt nicht schlimm, sondern könne vielmehr sehr wichtig sein in diesem Moment.
"Emotionen zulassen, das ist ja erstmal nichts Schlimmes, wenn ich dann da vielleicht sitze und plötzlich kommen mir da irgendwie die Tränen hoch."
Bewusst Abschied nehmen heißt auch, für sich das richtige Ritual zu finden, um besser loslassen zu können, sagt der Therapeut. Neben Packen, Ausräumen und Fotos gucken kann das beispielsweise auch ein Spaziergang sein mit einem Menschen, den ich mit einem Ort verbinde – "ein alter Schulweg oder sonst irgendetwas, um dann bewusst zu sagen: Okay, das gehört in diese Zeit, das hatte seine Zeit – und ich lebe jetzt ein anderes Leben", so Björn Enno Hermans.
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