Die Ermordung des rechten Influencers Charlie Kirk trifft ein Land, das ohnehin schon tief gespalten ist. Auf der Trauerfeier versöhnt Trump nicht – seine Rede ist eine Kampfansage an den politischen Gegner. Die Spaltung der USA treibt er weiter voran.
Es war keine gewöhnliche Trauerfeier. Im State Farm Stadium in Glendale, Arizona, kamen rund 100.000 Menschen zusammen, um Charlie Kirk zu verabschieden – Gründer der Organisation "Turning Point USA". Was als Abschied gedacht war, geriet schnell zu einer politischen Inszenierung. Auf der Bühne standen nicht nur Familie und Weggefährten, sondern auch hochrangige Republikaner wie Vizepräsident J.D. Vance und Donald Trump.
Eine Trauerfeier als Wahlkampfshow
Justus Wolters aus dem Unboxing-News-Team hat den fünfstündigen Livestream verfolgt. Er beschreibt, dass die Feier deutlich mehr war als ein Moment der Trauer. Viele Reden hätten eher an eine politische Kundgebung erinnert. Die Veranstaltung habe die Wirkung Kirks auf viele junge Menschen noch einmal deutlich sichtbar gemacht.
"Man hat einfach nochmal gesehen, was für einen Impact Charlie Kirk gerade auf viele junge Menschen in den USA hatte."
Der Einschätzung unseres Reporters zufolge haben vor allem junge Rednerinnen und Redner die Bühne genutzt, um kämpferische Botschaften zu verbreiten. Bekannte Aktivisten wie etwa Jack Posobiec hätten die Menge aufgerufen, Kirks "Mission" fortzusetzen.
Trump und die Eskalation
Am Ende habe der Eindruck überwogen, die Feier habe mehr der Mobilisierung konservativer Kräfte gedient als dem persönlichen Abschied von Kirk.
"Von der Trauerfeier bleibt eher der Eindruck eines Wahlkampfes, einer Mobilisierung der konservativen Anhänger gegen die vermeintlichen Feinde im Land."
Unser Reporter betont außerdem, dass kaum über Kirks problematische Seiten gesprochen wurde. Stattdessen sei er als Märtyrer inszeniert worden.
Politische Instrumentalisierung
Historiker Thomas Zimmer, lange Professor an der Georgetown University, sieht in der Feier ein bezeichnendes Beispiel für den aktuellen Zustand der US-Politik.
Besonders die Rede von Donald Trump habe gezeigt, wie sehr der Mord an Kirk politisch instrumentalisiert werde. Zimmer verweist darauf, dass Trump Kirk zwar als versöhnliche Figur darstellte – gleichzeitig aber betonte, seine eigenen Gegner zu hassen.
"Trump hat gesagt: Charlie Kirk wollte seinen Gegnern vergeben. Aber er selbst hasse seine Gegner."
Zimmer spricht von einem bizarren Spektakel, das mit einem Feuerwerk für Trump gipfelte – nur wenige Sekunden nachdem Kirks Witwe die Bühne verlassen hatte.
"Das ist schon ein bizarres Spektakel – ein Feuerwerk für Trump, nur Sekunden nachdem Kirks Witwe die Bühne verlassen hatte."
Seiner Analyse nach entsteht so ein Narrativ, das Kirk verklärt. Statt echter Versöhnung sei bei der Trauerfeier erneut Aggression gepredigt worden.
"Da ist so viel, oben ist unten, schwarz ist weiß – alles ist völlig verdreht und pervertiert. Am Ende kommt heraus: Trumpisten nutzen den Mord, um die Lage weiter zu eskalieren."
Eine gespaltene Nation
Zimmer blickt auch auf die langfristigen Linien der US-Geschichte. Nach seiner Einschätzung war Amerika schon immer in einer Kernfrage gespalten: Soll die USA eine egalitäre Demokratie für alle sein – oder ein Land, in dem weiße Christen Vorrang haben?
"Amerika war immer gespalten in der Frage: Soll es eine egalitäre Demokratie sein – oder ein Land von und für weiße Christen?"
Heute, so Zimmer, verlaufen diese Konfliktlinien fast deckungsgleich mit den politischen Parteien. Er stellt fest, dass eine Mehrheit der Bevölkerung politische Gewalt zwar noch ablehne, die Akzeptanz dafür aber steige – besonders im rechten Spektrum.
"Die Gräben werden tiefer, und es ist immer schwerer zu sehen, wie diese Auseinandersetzung noch demokratisch ausgetragen werden kann."
Er macht deutlich, dass sich ein Teil der US-Rechten längst vom Prinzip demokratischer Politik verabschiedet habe und auf Eskalation setze.
"Mindestens eine Seite hat sich völlig verabschiedet von demokratischer Politik. Die Trumpisten sind überzeugt: Wir müssen eskalieren, notfalls auch mit Gewalt."
Wendepunkt oder nicht?
Nach Kirks Tod sind allein bei seiner Organisation "Turning Point USA" 65.000 neue Anfragen eingegangen. Für Zimmer ist das kein Zufall: Junge Menschen fühlten sich von der Bewegung angezogen. Er warnt allerdings, dass diese Organisation gezielt an Universitäten rechte Kampagnen betreibe.
"Turning Point USA ist keine harmlose Jugendorganisation – sie betreibt gezielt rechte Mobilisierung und Hetze an Universitäten."
Ob der Mord an Kirk tatsächlich ein Wendepunkt ist, sei dennoch unklar. Zimmer erinnert daran, dass auch das Attentat auf Trump 2024 zunächst als Zäsur erschien, aber schon nach wenigen Tagen aus dem Fokus verschwand. Er warnt jedoch, dass diesmal viele Entscheidungsträger eine andere Strategie verfolgen könnten.
"Viele in Machtpositionen sind fest entschlossen, diesen Mord als Turning Point in Richtung einer autoritären Verschärfung zu nutzen."
Damit macht Zimmer deutlich: Während manche Beobachtende den Mord an Kirk als kurzfristige Erschütterung einordnen, könnten ihn Akteure im Umfeld Trumps langfristig als Rechtfertigung für eine weitere Eskalation einsetzen.
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