Wer Jura studiert, darf auch Fälle lösen – allerdings vorzugsweise auf dem Papier. An der Uni Köln hingegen dürfen sich Studierende durch echte Akten mit ungelösten Fällen wühlen. Ihre Aufgabe: die Polizei bei "Cold Cases" zu unterstützen.
Es war wohl das erste True-Crime-Format in Deutschland: In der Fernsehsendung "Aktenzeichen XY ungelöst" geht es um unaufgeklärte Kriminalfälle. Zuschauer können sich im Nachgang mit Hinweisen melden, um so gegebenenfalls zur Aufklärung der Fälle beizutragen.
Laura Longuh hat die Sendung als Teenager gerne mit ihren Eltern geschaut. Jahre später beginnt sie Jura zu studieren und merkt, dass sie sich für "Cold Cases" interessiert. Dabei handelt es sich um ungelöste Kriminalfälle, deren Akten mitunter jahrelang im Archiv liegen. Als die Uni Köln, an der Laura studiert, die Möglichkeit anbietet, mit genau solchen Fälle zu arbeiten, meldet sie sich sofort.
Auswertungen der Studierenden können Staatsanwaltschaft und Polizei helfen
Beim "Cold Case-Lab" arbeiten Studierende Akten ungelöster Kriminalfälle durch und erstellen im Anschluss ein Täter- und Opferprofil. Dabei arbeiten 15 Teilnehmer*innen gemeinsam am selben Fall. Zum Abschluss bespricht die Gruppe ihre Ergebnisse mit der Staatsanwaltschaft und dem Team von Markus Weber. Er ist Erster Kriminalhauptkommissar und Leiter der Cold-Case-Einheit bei der Polizei Köln.
Gelöst wurde durch die Unterstützung der Studierenden bisher noch kein Fall, zumindest kann sich Kommissar Weber an keinen solchen Fall erinnern.
Das sei aber auch nicht das vordergründige Ziel des Projekts gewesen, sagt Seline Özyildirim vom Institut für Strafrecht der Uni Köln. Sie hatte die Idee für das Lab und leitet es. "Durch dieses Projekt haben wir quasi eine Schnittstelle zwischen Strafrecht, Kriminologie und forensischer Praxis, die wir erleben können."
Ziel sei es, dass die Studierenden ihre juristischen, analytischen und kriminalistischen Kompetenzen entwickeln.
"Echte Akten zu sichten, bedeutet allerdings auch, mit Fotos von Leichen und blutigen Spuren konfrontiert zu werden."
Laura, die ihr Studium bereits abgeschlossen hat und sich derzeit für ein Referendariat bewirbt, sagt, dass sie durch das Projekt Praxiserfahrung sammeln konnte. Dazu gehöre nicht nur das analytische Arbeiten, sondern auch der Umgang mit den Fällen: "Ich habe gelernt, den Fall von der sachlichen Ebene zu betrachten, um mich von den ausgelösten Emotionen nicht so überrollen zu lassen."
Denn das Bearbeiten von "Cold Cases" ist nicht nur spannend, sondern kann aufgrund der Brutalität und Härte der Fälle auch belastend sein. Damit umgehen zu können, gehört bei Jurist*innen mitunter auch zum Job.
