Über 200 – die deutschlandweite Inzidenz ist höher als jemals zuvor in der Pandemie. Intensivmediziner Matthias Kochanek von der Uniklinik Köln erklärt, warum die vierte Welle dazu führt, dass das Krankenhauspersonal langsam aber sicher frustriert ist.

Die bundesweite Inzidenz ist mit 200 höher als jemals zuvor in der Pandemie. Mediziner und Medizinerinnen warnen: Die Zahl der Patienten und Patientinnen auf Intensivstationen könnte sich in den nächsten Wochen verdoppeln. Und in Bayern sind die Intensivbetten schon jetzt so stark belegt wie vor einem Jahr.

Die Lage auf den Intensivstationen spitzt sich zu

Ganz so schlimm wie in Bayern sei die Lage in Köln nicht, berichtet Matthias Kochanek, Leiter der internistischen Intensivmedizin an der Uniklinik in Köln. Das liege daran, dass Bayern und Sachsen – die Bundesländer mit den höchsten Corona-Zahlen – wieder im exponentiellen Anstieg seien.

"Emotional muss ich ganz klar sagen, dass es mich ärgert, mit wie viel Ignoranz und Dummheit wir in diese nächste Welle reinschlittern."
Matthias Kochanek, Leiter der internistischen Intensivmedizin an der Uniklinik in Köln

Die meisten Patienten, die in Köln auf der Intensivstation behandelt würden, seien ungeimpft, sagt Matthias Kochanek. Mit "die meisten" meint er tatsächlich 80 bis 90 Prozent. Zwar gebe es auch geimpfte Patienten, die intensivmedizinisch behandelt werden müssten, das seien aber fast immer Patienten, die eine schwere Begleiterscheinung wie Krebs oder Niereninsuffizienz hätten.

"Selbst Patienten, die zwar geimpft sind, aber wegen einer Begleiterkrankung auf der Intensivstation landen, haben häufig einen nicht so schweren Verlauf wie komplett ungeimpfte Patienten."
Matthias Kochanek, Leiter der internistischen Intensivmedizin an der Uniklinik in Köln

Eine Behandlung auf der Intensivstation sei nicht ohne

Neben dem schweren Verlauf der Covid-19-Infektion kommt für Patienten und Patientinnen, die auf der Intensivstation liegen, eine Behandlung hinzu, die für den Körper sehr anstrengend ist und den Einsatz vieler Medikamente erfordert. Darauf weist Virologe Christian Drosten auf Twitter hin, und Matthias Kochanek stimmt dem zu.

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"Die Intensivpflege macht es nötig, sozusagen standardmäßig eine Reihe von Medikamenten einsetzen. Das fängt bei Magenschutzmittel an bis hin zu Beruhigungsmitteln, die die Beatmungssituation für die Menschen überhaupt erträglich machen, bis hin zu Antibiotika." Hinzu kämen Medikamente, die Patienten gegebenenfalls sowieso aufgrund von Vorerkrankungen einnehmen müssten.

"Es ist schon ein schizophrener Zustand, dass Menschen auf der einen Seite Angst vor einer Corona-Impfung haben, sich auf er anderen Seite aber keine Gedanken darüber machen, was ihnen auf der Intensivstation bevorsteht."
Matthias Kochanek, Leiter der internistischen Intensivmedizin an der Uniklinik in Köln

Personal am Ende der Kraft und des Verständnisses

Dem Krankenhauspersonal steht also wieder eine Zeit am Limit bevor. Matthias Kochanek weist den Gedanken von sich, ungeimpfte Patienten anders zu behandeln als geimpfte. Aber er sagt auch, dass das Krankenhauspersonal ausgelaugt bis abgestumpft sei. Das nehme er krankenhausübergreifend in ganz Deutschland wahr. "Grund dafür ist das ignorante Verhaltenen bezüglich der Impfung, was viel Frustration und Unverständnis hervorruft", sagt Matthias Kochanek. Und das sei eine extrem schlechte Grundlage, um Menschen wirklich gut zu versorgen.

Shownotes
Corona-Lage auf Intensivstationen
In den Krankenhäusern macht sich Frust breit
vom 08. November 2021
Moderator: 
Thilo Jahn
Gesprächspartner: 
Matthias Kochanek, Leiter der internistischen Intensivmedizin an der Uniklinik in Köln