Ein Drittel aller Frauen macht die Erfahrung einer Fehlgeburt. Doch Anspruch auf Mutterschutz hatten sie bis jetzt nicht. Das ändert sich mit der anstehenden Gesetzesänderung. Warum Fehlgeburten kein privates Problem sind, sondern ein gesamtgesellschaftliches Thema.
Laut Schätzungen enden in Deutschland jedes Jahr 90.000 Schwangerschaften mit einer Fehlgeburt. Obwohl das Thema also viele betrifft, gilt es immer noch als Tabu, wird – wenn überhaupt – eher im Privaten besprochen. Dabei hat das Thema eine klare politische Dimension, sagen Aktivistinnen.
Hart erkämpfte Gesetzesänderung um Mutterschutz bei Fehlgeburten
In Deutschland ändert sich ab dem 1.6.2025 Entscheidendes in Sachen Mutterschutz. Bisher hatten Frauen nur Anspruch auf Mutterschutz und damit auf Mutterschaftsgeld, wenn sie die 24. Schwangerschaftswoche erreicht haben. Oder wenn das ungeborene Kind mehr als 500 Gramm wog. Schwangerschaften, die vorher enden, gelten als Frühgeburt. Die betroffenen Frauen waren bisher vom Gesetz her gänzlich vom Mutterschutz ausgenommen.
Die nun in Kraft tretende Gesetzesänderung weitet den Anspruch auf Mutterschutz auf die Frauen aus, die eine Fehlgeburt haben. Der Mutterschutz wird dabei gestaffelt:
Frauen haben ab der 13. Schwangerschaftswoche Anrecht auf Mutterschutz. Dabei gilt:
- Je länger sie schwanger waren, desto länger soll der Mutterschutz andauern
- Eine Frau, die eine Fehlgeburt zwischen der 13. und der 17. Woche hat, soll Anspruch auf zwei Wochen Mutterschutz bekommen
- Ab der 17. Schwangerschaftswoche stehen Frauen sechs Wochen zu
- Ab der 20. Schwangerschaftswoche sind es acht Wochen
Wichtig dabei ist: Frauen müssen den Mutterschutz nicht in Anspruch nehmen, wenn sie das nicht möchten. Sie können weiter oder wieder arbeiten, wenn sie sich dafür entscheiden.
Zu verdanken sind diese Änderungen auch Natascha Sagorski. Sie hatte in der zehnten Woche eine Fehlgeburt und bekam damals nicht ohne Weiteres eine Krankschreibung – weder von der Klinik, in der die sogenannte Ausschabung durchgeführt wurde, noch von ihrem Gynäkologen. Schließlich schrieb der Hausarzt Natascha krank.
"Ich konnte nicht telefonieren. Ich habe es nicht einmal geschafft, bei meinem Gynäkologen anzurufen, weil ich die ganze Zeit geweint habe."
Nach dieser Erfahrung beginnt Natascha sich für eine Anpassung des Mutterschutzes einzusetzen. Sie startet eine Petition, und auch die Politik beginnt sich für das Thema zu interessieren.
Welche politische Dimension das Thema Fehlgeburt hat, beschreibt die Autorin und Übersetzerin Christine Koschmieder in ihrem Essay "Das F-Wort - Eine feministische Sicht auf sogenannte Fehlgeburten."
Die Verschärfung des Abtreibungsrechts in den USA und die Auswirkungen
Ein Blick in die USA zeigt: Der Umgang mit Schwangeren ist immer politisch. Durch die Verschärfung des Abtreibungsrechts sind dort bereits mehrere Frauen gestorben, weil ihnen nach einer Fehlgeburt medizinische Hilfe verweigert wurde. Im Bundesstaat Georgia wiederum wird eine hirntote Frau seit Monaten künstlich beatmet, weil die Klinik laut der Familie der Frau nicht gegen das strenge Abtreibungsrecht verstoßen will.
Wir klären in dieser Episode von "Eine Stunde Liebe", ob ein solches Szenario auch in Deutschland denkbar wäre und diskutieren, wie wir über das Thema Fehlgeburten sprechen können.
- Christine Koschmieder "Das F-Wort: Eine feministische Sicht auf sogenannte Fehlgeburten", Maroverlag