"Frau Shibatas geniale Idee" von Emi Yagi erzählt die Geschichte einer japanischen Frau, die erst von einer Notlüge profitiert – diese dann aber nicht mehr loswird.
"Frau Shibatas geniale Idee" von der japanischen Schriftstellerin Emi Yagi ist die Geschichte einer Lüge. Im Mittelpunkt des Romans steht Shibi, die als studierte Fach-Angestellte in einer Papierrollenfabrik arbeitet. Sie ist Anfang dreißig, ungebunden und ein Großstadtmensch. Wie wir von ihr selbst später erfahren, ist sie pragmatisch und sehr humorvoll.
Die Lüge, um die es geht, beginnt mit einer Notlüge. "Ich kann nicht. Ich bin schwanger", sagt sie eines Tages zum Abteilungsleiter, als der wie viele Male zuvor von ihr erwartet, dass sie nach einer Sitzung die Kaffeetassen aus der Sitzungsecke in die Küche bringt und abwäscht. Das ist irgendwann zu ihrer Aufgabe geworden, weil sie die einzige weibliche Angestellte in ihrer Abteilung ist.
"Es ist ein Ausweg, vielleicht nicht der durchdachteste. Aber mit einem Mal fühlt sich Shibi frei, von allem entbunden, was ihr bisher im Beisein der Kollegen unangenehm war."
Die erfundene Schwangerschaft erweist sich für Shibi zunächst als eine Art Ausweg. Sie darf pünktlich nach Hause gehen, hat plötzlich weniger Überstunden und mehr Zeit. Sie weiß gar nicht, was sie damit anfangen soll.
Eine Lüge mit ungeahnten Folgen
Aber dann häufen sich die Fragen: "Geht es Ihnen gut? Brauchen Sie Hilfe? Wann es denn soweit ist? Wer ist der Vater? Wird es ein Mädchen oder ein Junge? Haben Sie schon einen Namen? Darf ich mal Ihren Bauch anfassen?" Ihr völlig fremde Kolleginnen aus anderen Abteilungen bringen Rezepte für gesundes Essen und Flyer für Sportstudios. Der Abteilungsleiter stellt eine Frau ein, die das Kaffeetassenabwaschen übernimmt. Und die fragenden Blicke auf ihren flachen Bauch werden immer intensiver.
"Weil das nervt, fängt Shibi an, sich was ins Unterhemd zu stopfen; Feinstrumpfhosen eignen sich am besten, Handtücher eher nicht."
Shibi fakt mit Feinstrumpfhosen und Handtüchern den Schwangerschaftsbauch. Sie lädt sich eine App für Schwangere runter. Sie liest Bücher, kocht Gesundes, geht zum Sport. Und mit jeder weiteren Schwangerschaftswoche wächst die Lüge, aber nicht nur die. Auch Shibis Verständnis darüber, wie es so weit kommen konnte, welche Rolle ihr zugeschrieben wird, und wie schlimm das ist, wächst. Sie beschließt, das Spiel bis zum Ende durchzuspielen. Ein Ende mit Schrecken, denn plötzlich spürt sie Tritte des Babys in sich.
Das Buch:
"Frau Shibatas geniale Idee" (OT: "Kūshin Techō") von Emi Yagi, aus dem Japanischen übersetzt von Luise Steggewentz, erschienen bei Atlantik (gehört zu Hoffmann und Campe), 204 Seiten, gebundene Ausgabe: 21 Euro, E-Book: 14,99 Euro, Hörbuch-CD: ca. 20 Euro, Hörbuch-Download: ca. 14 Euro, Streaming u.a. bei Spotify möglich, gelesen von Maren Ulrich, ET: 05.10.2021.
Die Autorin:
Emy Yagi wurde 1988 geboren. "Frau Shibatas geniale Idee" ist ihr erster Roman. Bereits vor der Veröffentlichung gewann sie in Japan damit den wichtigen "Dazai Osamu Prize".